Am Montagabend fand in der Aula des Berufs- und Weiterbildungszentrums Toggenburg (BWZT) in Wattwil die Gründung eines Vereins für eine vernünftige Thursanierung Wattwil statt. Rund 120 Teilnehmer waren vor Ort, um die Ausführungen zur geplanten Thursanierung zu verfolgen. Eingeladen hatte die seit 2018 als lose Verbindung bestehende IG «Vernünftiger Hochwasserschutz an der Thur» sowie die Toggenburger Kantonsräte von SVP, FDP und Mitte.
Ziel des Abends war die Überführung der IG und somit die Gründung eines Vereins. Im Mittelpunkt standen die Vorstellung der vom Kanton geplanten Thursanierung Wattwil durch Christian Vogel (Kantonsrat der SVP aus Dietfurt) sowie je ein Referat von Markus Ritter (Nationalrat der Mitte und Präsident des Schweizer Bauernverbands) und Walter Locher (Alt-Kantonsrat der FDP und Präsident des Hauseigentümerverbands St.Gallen). Nach der Vereinsgründung wählten die 80 Mitglieder Flurin Schmid (Präsident FDP Wattwil-Lichtensteig) zum ersten Präsidenten.
Geplante Thursanierung schadet dem Hochwasserschutz
Christian Vogel eröffnete den Abend mit einer Übersichtskarte. Mit eindrücklichen Bildern zeigte er die Auswirkungen der 5 Kilometer langen Thursanierung zwischen Ulisbach und Flooz auf. Anstatt nur den Hochwasserschutz zu verbessern, führe das Projekt zu erheblichen Eingriffen in die Umwelt und das Eigentum der Anwohner. Dabei betonte er, dass man sich grundsätzlich zum Hochwasserschutz bekenne, jedoch einen Hochwasserschutz innerhalb der heutigen Baumalleen fordere.
Vogel, selbst auf einem Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen, sprach von der Zerstörung von 68'000 Quadratmetern fruchtbarem Landwirtschaftsland. Darunter fallen gar 2,3 Hektar Fruchtfolgeflächen, die in Krisenzeiten für die Ernährung wichtig sind. Die Wiesen um Wattwil seien die ebensten und ertragreichsten Böden des Tals. Zusätzlich würden weitere 23'000 Quadratmeter privater Grundstücke betroffen sein. Zudem drohe ein Kahlschlag von bis zu 300 wertvollen Alleebäumen entlang der Thur. Bei Gesamtkosten von über 112 Millionen Franken müsse die Gemeinde Wattwil mit einer Belastung zwischen 11 und 20 Millionen Franken rechnen.
Die jetzige Thursanierung schadet dem Hochwasserschutz. Während bei den Seitenbächen, die viel Kies und Holz bringen, kaum etwas unternommen werde, werde bei der Thur übertrieben. Durch die Verbreiterung der Thur bliebe mehr Geschiebe im Flussbett liegen, wodurch das Wasser schlechter abfliessen könne. Dies führe nach nur wenigen Jahren zu hohem Unterhaltsaufwand auf Kosten der Steuerzahler. Vogel verwies auf das Gebiet „Chli Gäsischachen“ an der Grenze von St.Gallen und Glarus, wo eine Flussverbreiterung zur Auflandung mit Kies und regelmässigen, teuren Ausbaggerungen führe.
Aufruf zur Einigkeit und Nutzung der Spielräume
Markus Ritter, Nationalrat und Präsident des Schweizer Bauernverbands, unterstrich die Bedeutung von Landwirtschaftsflächen für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Der Landwirt betonte, dass Landwirtschaftsland kostbar sei und nicht leichtfertig geopfert werden dürfe. Dafür müssten alle Spielräume innerhalb der bestehenden eidgenössischen und kantonalen Gesetze genutzt werden. Im St.Galler Kantonsrat sollen die Toggenburger Anliegen deutlich vorgebracht werden, wenn nötig mit Anträgen.
Als ehemaliger Stadtrat von Altstätten betonte er, dass der politische Kampf für den Schutz der Ressourcen überparteilich geführt werden müsse. Nur durch eine Bündelung der politischen Kräfte könnten den überdimensionierten Plänen des Kantons effektiv Gegensteuer gegeben werden. Ritter hob hervor, dass es den Verein unbedingt brauche, um eine vernünftige Thursanierung durchzusetzen, bevor das Projekt vors St.Galler Volk komme.
Einschränkungen für Grundeigentümer
Walter Locher, Vertreter der Grundeigentümer, sprach über die weitreichenden Einschränkungen, die der Gewässerraum und die geplanten Freihaltezonen mit sich brachten. Der ehemalige St.Galler FDP-Kantonsrat erklärte, dass selbst kleinste bauliche Veränderungen auf Privatgrundstücken in Zukunft einer Bewilligung bedürfen. Die Rechte der Anrainer würden durch Enteignungen und strenge Vorschriften massiv beschnitten. Locher betonte zudem, dass die Gefahrenkarten für ein hundertjähriges Hochwasser bereits heute keine akute Bedrohung für die meisten Wohn- und Gewerbegebiete aufzeigen würde. Die Renaturierung habe bei diesem Projekt einen unverhältnismässig hohen Stellenwert, der in keinem sinnvollen Verhältnis zu den tatsächlichen Erfordernissen stehe.
Ein breit aufgestellter Vorstand
Nach dem informativen Teil wurde der Verein „IG Vernünftige Thursanierung Wattwil“ formell gegründet. Bereits am Abend der Gründung traten 80 Personen als Mitglieder dem Verein bei. Kantonsrat Adrian Gmür hob den Verein aus der Taufe. Dieser setzt sich für einen vernünftigen Hochwasserschutz ein, der den Erhalt von Kulturland, die Schonung der Baumallee und den Schutz des Grundeigentums in den Mittelpunkt stellt. Auch alle 10 Toggenburger Kantonsräte von SVP, FDP und Mitte bekennen sich zu diesem Vereinszweck.
Als erster Präsident wurde Flurin Schmid gewählt, der als Polizist und Präsident der FDP Wattwil-Lichtensteig bekannt ist. Als Vizepräsident wurde Martin Gämperle, ebenfalls aus Wattwil und Inhaber der Wasserfluhgarage, bestimmt.
Die Gründungsversammlung endete mit einem Appell an die Toggenburger Bevölkerung, sich aktiv einzubringen und dem Verein beizutreten.
Wie weiter mit der Thursanierung Wattwil?
Die erste Etappe der Thursanierung oberhalb der drei Hochhäuser befindet sich bereits im Einspracheverfahren. Über den Hauptteil ab Rickenhof bis Flooz wird die Bevölkerung in diesem Halbjahr über die Kosten informiert (letzter Prüfauftrag Nr. 6). Im Sommer 2025 folgt eine Vernehmlassung bei Gemeinde, Kanton und Bund. Dabei werden Einigungsverfahren durchgeführt, das Auflageprojekt ergänzt und eine Kostengutsprache eingeholt.
Zwischen 2025 und 2026 will die Regierung des Kantons St.Gallen dem Kantonsrat eine Botschaft zum Projekt vorlegen. Im Jahr 2026 soll dann der Kantonsrat das Vorhaben in zwei Lesungen beraten, bevor ein Beschluss gefasst wird. Anschliessend erfolgt die Referendumsabstimmung im ganzen Kanton. Im Herbst 2026 würde sodann die öffentliche Auflage erfolgen. Danach werden Einspracheverhandlungen geführt und nach einem rechtskräftigen Projekt beginnt der Landerwerb. Der Baubeginn ist frühestens ab 2028 vorgesehen.