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Kommentar
Politik
08.12.2024
08.12.2024 20:59 Uhr

Suggestionskünstlerin im Kantonsrat

Kantonsrat Lukas Huber kommentiert das Abstimmungsverhalten und die Kommunikationsweise der FDP an der letzten Session.
Kantonsrat Lukas Huber kommentiert das Abstimmungsverhalten und die Kommunikationsweise der FDP an der letzten Session. Bild: SVP Toggenburg
Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut. Weshalb lenkte die FDP sie auf ein verhältnismässig unwichtiges Geschäft?

Am letzten Sessionsmittwoch beschäftigte sich der St. Galler Kantonsrat mit sich selbst. Es ging unter anderem um die Frage, ob und wie die Taggelder der Kantonsräte den Abgaben der beruflichen Vorsorge unterstellt werden sollen. Die SVP-Fraktion lehnte den Systemwechsel und deshalb das ganze Geschäft ab. Die SVP ging sogar noch einen Schritt weiter und wollte für niemanden einen Vorsorgebeitrag (Ersparnis von CHF 36'000.00 pro Jahr). Die FDP-Fraktion wollte die Regelung für den Kanton annähernd kostenneutral ausgestalten. Die FDP-Fraktion konnte oder wollte sich nicht mit dem Vorschlag der SVP anfreunden. So wurde die indirekte Lohnerhöhung zum Schluss von allen Fraktionen – mit Ausnahme der SVP – beschlossen.

An sich ist das kein sonderlich interessantes Geschäft. Bei der umstrittenen Frage geht es um etwa CHF 200'000 Mehrkosten im Jahr für den Kanton. Das ist viel Geld, aber im Verhältnis zu den sonst behandelten Geschäften eher vernachlässigbar. Bemerkenswert ist ein anderer Aspekt: Die FDP versandte kurz nach der Abstimmung eine Medienmitteilung, in der sie suggeriert, dass einzig die FDP sich ernsthaft gegen die Lohnerhöhung zur Wehr gesetzt hat. Gleichlautende Beiträge wurden an die FDP-Mitglieder versendet und in den sozialen Medien platziert. Man forderte die volle Aufmerksamkeit für dieses Geschäft ein.

Bei der entscheidenden Gesamtabstimmung stimmte die FDP für die Lohnerhöhung

Die FDP-Fraktion hat dem Geschäft aber – inklusive Lohnerhöhung – zugestimmt. Zwar scheiterten die FDP und die SVP mit ihren Anträgen. Wenn aber beide mit ihren Anträgen scheitern, so müssten am Schluss auch beide gegen das Geschäft sein, da sie ja keine Lohnerhöhung wollten. So kam es zur Gesamtabstimmung über das Geschäft. Die Frage war, ob der heutige Status gilt oder sich der Kantonsrat eine Lohnerhöhung von 12 Prozent bzw. CHF 200’000 pro Jahr gibt. Die FDP war für die Lohnerhöhung. Nur die 42 Mitglieder der SVP-Fraktion stimmten Nein.

Die  Kantonsratsmitglieder der anderen Fraktionen waren über die suggestive Kommunikation der FDP entsprechend erstaunt. Es war ein Leichtes, die falsch suggerierten Tatsachen – etwa mit Verweis auf das öffentliche Abstimmungsverhalten im Ratsinformationssystem – zu widerlegen. In der Folge verliefen die Diskussionen eher zu Ungunsten der FDP.

Ablenkungsmanöver wegen der Extrawurst an die Stadt St. Gallen

Es brauchte etwas Distanz zum Geschäft, bis man nachvollziehen konnte, weshalb die FDP dermassen stark auf dieses Geschäft aufmerksam machte. Fast gleichzeitig fand die Schlussabstimmung über einen Nachtrag zum Finanzausgleichsgesetz statt. Die Stadt St. Gallen soll demnach zusätzlich zu den CHF 17'000'000.00 pro Jahr aus dem kantonalen Finanzausgleich neu einen Zustupf von CHF 14'800'000.00 über die kommenden vier Jahre verteilt für «zentralörtliche» Leistungen erhalten. Die FDP unterstützt dieses Ansinnen. Dabei dürfte es bei den eigenen Mitgliedern – gerade in Regionen, in denen die lokale Bevölkerung wohl kaum von diesen «Zentrumslasten» der Stadt St. Gallen profitiert – sehr umstritten sein.

Die FDP hat sich mit diesem Kommunikationstrick als wahre Suggestionskünstlerin gemausert: Mit der Suggestion von falschen Tatsachen lenkte sie die Aufmerksamkeit der eigenen Mitglieder, der anderen Parteien und der ganzen Öffentlichkeit auf ein anderes, eher unbedeutendes Thema. Sie musste deshalb ihr Abstimmungsverhalten beim Finanzausgleich kaum rechtfertigen. Die FDP hat damit dem St. Galler Steuerzahler gleich doppelt geschadet: Mehr Lohn in die eigene Tasche, mehr Geld für die Stadt St. Gallen.

Zum Glück hat das Volk das letzte Wort

Zum Glück kam das Ratsreferendum zum Nachtrag zum Finanzausgleichsgesetz zustande. Das St. Galler Stimmvolk wird über die zusätzlichen CHF 14'800'000.00 Kantonsbeiträge für die Stadt St. Gallen befinden können. Man darf gespannt sein, worauf die FDP im Abstimmungskampf die öffentliche Aufmerksamkeit lenken möchte. Wohl kaum auf das eigene Abstimmungsverhalten.

Lukas Huber, Kantonsrat SVP aus Unterwasser