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Kolumne
08.05.2021

Keine Evidenz, Slalomkurs, Widersprüche

Bundeshaus in Bern, Fragen über Fragen, Stefan Millius, Chefredaktor «Die Ostschweiz».
Bundeshaus in Bern, Fragen über Fragen, Stefan Millius, Chefredaktor «Die Ostschweiz». Bild: bern.com, ems-sportwelt.com, qultur.ch
Wie Politiker agieren, ist meist eine Frage des persönlichen Standpunkts. Viel wichtiger ist deshalb, dass sie verlässlich handeln. Das ist dem Bundesrat in den letzten 14 Monaten nicht gelungen.

Bei keiner Abstimmung gibt es ein Richtig oder Falsch. Es ist immer die eigene Haltung. Die Mehrheit entscheidet, der Rest lebt mit der Entscheidung. Das ist grob verkürzt die Erfolgsgeschichte der Schweiz. Eine weltweit einmalige Erfolgsgeschichte.

«Ds Wort gilt»

Entscheidend ist nicht unbedingt der Ausgang einer Abstimmung, viel mehr ihre Verlässlichkeit. Was beschlossen wurde, gilt. So weh es auch tun mag. Dieses Prinzip ist in den letzten Jahren ins Wanken geraten.

Mehrfach war zu beobachten, wie «Bern» versuchte, eine an sich klare Entscheidung in der Umsetzung zu verwässern, was dann sogar zur grotesken Situation führte, dass erneute Volksinitiativen dafür sorgen sollten, dass das einmal Beschlossene auch Wirklichkeit wird. Das sollte und darf nicht sein. «Ds Wort gilt», wie die Glarner sagten, nachdem an einer Landsgemeinde die Revolution einer massiven Reduktion der Zahl der Gemeinden überraschend Wirklichkeit wurde. Doch welches Wort gilt heute?

Die Regierung hat zwei Vorteile

Längst keines mehr. Vieles, was seit Februar 2020 geschehen ist, könnte man mit Blick auf die vielen Unsicherheiten rund um das Corona Virus vielleicht sogar als «vorsichtshalber» verbuchen, selbst wenn es einem nicht passt. Temporär eingesetzte unangenehme Massnahmen?

Die Schweiz und ihre Bevölkerung hätten wohl damit leben können, wenn man eine Linie dahinter erkannt hätte. Wenn klar geworden wäre, dass der Bundesrat aus bestem Wissen und Gewissen handelt. Wenn die Massnahmen belegbar effektiv gewesen wären. 

Das ist beim besten Willen schon lange nicht mehr der Fall.

Unsere Regierung hat einen entscheidenden Vorteil, oder besser zwei:

  • Zum einen die erstaunliche Obrigkeitsgläubigkeit der Menschen hier, die sich in Zeiten von Corona offenbart, denn viele Menschen wollen offenbar geführt werden, sind froh, wenn sie nicht selbst denken müssen und Widerstand ist ihnen zutiefst zuwider.
  • Zweitens haben sie ein sehr kurzes Erinnerungsvermögen, denn sonst müssten sie sich längst in heller Aufregung befinden.

Vormundschaft für den Staat

Denn das Volk hat in rekordverdächtiger Zeit vergessen, dass die Maske, die heute als unverzichtbares Element im Kampf gegen die Ansteckung vermarktet und verordnet wird, in ihren Anfänge von höchster Stelle als untaugliches Mittel zur Abwehr des Virus bezeichnet wurde. Später hiess es halbherzig, man habe das nur so kommuniziert, weil die Maske nicht ausreichend verfügbar gewesen sei.

Bei den vielen teuren Kommunikationsexperten, die der Bund auf unsere Kosten beschäftigt, muss man sich schon fragen, ob das die richtige Strategie war, wenn die Behauptung denn überhaupt stimmt.

Etwas, was man eigentlich für unverzichtbar hält, einfach herunterspielen, weil gerade nicht genug Exemplare rumliegen? Ein Staat, der das tut, müsste eigentlich unter Vormundschaft gestellt werden. So ist er auf jeden Fall nicht handlungsfähig.

Wieder eine Lüge - Reisequarantäne

Im Herbst 2020 wurden wir brandschwarz angelogen, als man uns sagte, dass mit einer Reisequarantäne in bestimmte Länder die Ansteckungsgefahr in der Schweiz reduziert werde.

Der Unsinn kam bald zum Vorschein, von den Rückkehrern drohte nur unter einem Prozent Gefahr. Wir wurden also aufgrund eines skandalösen Märchens gezwungen, unsere Ferien zu stornieren oder überstürzt zurückzureisen - doch niemand sagte was, die Versicherung würde das Geld zurückzahlen.

Der Tod lauert im Restaurant?

Bis heute ist uns der Bundesrat jeden Nachweis schuldig geblieben, dass vom geselligen Zusammensein in einem Lokal eine Gefahr ausgeht. Gleichzeitig werden ganz offiziell seit langem die Privathaushalte als grosser Ansteckungsort identifiziert. Dort kann man sich weiter treffen, auch wieder mit mehr Personen. Aber zu viert an einem Tisch im Restaurant, mit Maske bis zum Platz, mit Plexiglasscheibe zum nächsten Tisch - dort lauert er also, der sichere Tod?

«Es ist völlig abseitig. Aber Gesundheitsminister Alain Berset orakelte noch vor wenigen Monaten vor den Medien davon, dass man zwar nichts Genaues wisse, aber dass sich irgendwo in den Restaurants etwas Gefährliches «verstecke». Seine Worte. Ganz im Ernst.»

Die Beizer würden jammern – und die Medien?

Es gibt bei uns keine Kultur und keinen Mechanismus des Abwählens, aber wenn es jemals nötig gewesen wäre, dann im Fall von Berset und einer solchen absurden und im Video dokumentierten Aussage. Lasst uns eine Branche ausbluten, weil irgendwo - hinter dem Tresen, im Serviceportemonnaie oder im Tiefkühler eine Gefahr lauert, die wir aber leider nicht genau lokalisierien können, trotz aller Experten. Und aufgrund dieser dunklen, unbewiesenen Annahme gehen Beizer jetzt zugrunde? Und Zeitungen, wie das «St. Galler Tagblatt» dürfen diesen Beizern jetzt vorwerfen, sie jammern? Während es keine andere Branche gibt, die so sehr jammert wie die Medien?

Gemeindepräsidenten haben mehr Widerstand

Das mit den Restaurants nicht so schlimm. Jeder kann selbst kochen oder dem Lieferdienst anrufen. Die Duldsamkeit der Schweizerinnen und Schweizer ist wirklich endlos. Es gibt keinen schöneren Job als Bundesrat. Man kann den grössten Unsinn verkünden und keiner muckt auf. Jeder Gemeindepräsident hat im Alltag mehr Widerstand zu leben als Berset und Co.

Sinnlose Statistiken zur Einschränkung der Grundrechte

Und als bekannt wurde, dass die ominösen Fallzahlen seit Beginn der Massentests an Schulen und Institutionen so hoch sind, weil nur die positiven Tests in die Statistik fliessen, die negativen aber – weil der Aufwand zu gross wäre – einfach unter den Tisch fallen gelassen wurden, da hätte er spätestens kommen müssen, der allgemeine Aufschrei. Man muss keinen blassen Schimmer von Statistik haben, um zu erkennen, dass Zahlen, die so erhoben werden, völlig sinnfrei sind. Aber in unserem Land dienen sie zur Durchsetzung der Einschränkung von Grundrechten.

Dem Tod näher als dem Leben

Das Bundesamt für Gesundheit durfte diese Ungeheuerlichkeit in einem lapidaren Satz bestätigen und einfach weitermachen. Es interessierte niemanden. Dank einer grandiosen Vorarbeit übrigens. Nach einem vollen Jahr der Panikmache will niemand mehr Details kennen. Offenbar sind wir ja alle dem Tod näher als dem Leben, was soll es da schon ausmachen, wenn unsere nationalen Behörden Zahlen einfach mal verfälschen? Sie tun es ja, um uns zu schützen. Vor was auch immer.

Keine Prognose ist eingetroffen

Wer nach dieser Auflistung noch überzeugt ist, dass es diesem Staat um unsere Gesundheit geht, dem ist beim besten Willen nicht mehr zu helfen. Es gab in den vergangenen 14 Monaten unzählige Hinweise darauf, dass es nicht um die Wahrheit geht, sondern darum, eine bestimmte Politik durchzusetzen. Nichts von dem, was uns prognostiziert wurde, ist eingetroffen. Weder das grosse Sterben noch die Überlastung des Gesundheitssystems.

Und wer jetzt sagt, das hätten wir nur den getroffenen Massnahmen zu verdanken, dem sei die Frage gestellt: Welche davon? Mal waren die Läden das Problem, dann die Privathaushalte, dann die Ansammlungen draussen, dann die Restaurants. Man suche sich etwas aus. Die Politik des Bundesrates seit Februar 2020 war völlig erratisch. Es wurde stets aus dem Moment heraus irgendetwas beschlossen, widerrufen, von Neuem beschlossen. Wer behauptet, dieses Chaos hätte zur Abwehr einer Ansteckungsgefahr geführt, der wartet am 24. Dezember auch mit glänzenden Augen aufs Christkind.

Bei negativer Entwicklung sind die Menschen schuld

Die Politik ist in diesem Land handelt völlig irrational. Ist die Entwicklung positiv, führt sie das auf ihre Entscheidungen zurück, obschon diese keinerlei Linie haben. Ist die Entwicklung negativ, dann sind die Menschen im Land schuld, weil sie sich nicht an die Verordnungen gehalten haben. An Verordnungen, die zu keinem Zeitpunkt begründet und von Beweisen untermauert waren. Bis heute warten wir vergeblich auf eine Studie, welche einen positiven Effekt eines Lockdowns nachweist. Es ist nicht nötig. Es wehrt sich ja nur eine kleine Minderheit, wenn man ihn beschliesst.

Und dann gibt es die besonders kreativen Zeitgenossen, die zwar einige Fragezeichen haben, aber lapidar befinden: «In anderen Ländern ist es noch schlimmer als bei uns.»

Verlieren wir nicht einen wichtigeren Kampf?

Ist es, ja. In Deutschland ist der nackte demokratie- und grundrechtfseindliche Wahnsinn ausgebrochen. Mit Ausgangssperre und so weiter. Aber ist das unser Massstab? Ist die Schweiz das, was sie ist, indem sie stets gesagt hat: «Woanders ist es noch schlimmer?»

Der Kampf gegen das Virus ist nicht zu gewinnen. Mit dem haben wir einfach zu leben. Aktuell drohen wir aber einen wichtigeren Kampf zu verlieren: Den um das, was uns als Nation einst ausgemacht hat. Jeder, der sich dagegen wehrt, der wehrt sich für unsere Ursprünge und damit für das, was uns auch in Zukunft Sicherheit und Wohlstand garantiert. Und jeder, der die Politik der Zufälligkeiten stützt, untergräbt das Erfolgsmodell.

Der Bundesrat inklusive.

Quelle:

Gastkolumne

Autor: Stefan Millius (*1972), Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

Kolumne von der Redaktion Toggenburg24 bearbeitet.

Stefan Millius, Chefredaktor "Die Ostschweiz"/Patricia Rutz,Toggenburg24