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Kantone
09.05.2021
06.05.2021 17:14 Uhr

Von 40 auf 400 Arbeitsplätze

Peder Koch, CEO und Delegierter des Verwaltungsrates Berit Klinik
Peder Koch, CEO und Delegierter des Verwaltungsrates Berit Klinik Bild: Marlies Thurnheer
Die Berit Klinik mit Standorten in Speicher, Niederteufen, Arbon und Goldach gehört zu den grössten orthopädischen Kliniken der Schweiz. Mit über 400 Mitarbeitern und Ärzten ist sie auch eine der grössten Arbeitgeberinnen im Ausserrhodischen.

Die Berit Klinik hat eine rasante Erfolgsgeschichte hinter sich: Als Peder Koch 2008 als CEO eingestiegen ist, verfügte die Klinik – damals noch in Niederteufen beheimatet – über rund 40 Angestellte. 2014 war der Spatenstich zum Neubau auf der Vögelinsegg in Speicher, 2016 wurde dieser bezogen. Ein Jahr später wurde der alte Standort in Niederteufen renoviert, der 2018 als Reha- und Kurklinik neu eröffnet werden konnte. Heute beschäftigt die Berit-Klinik rund 400 Menschen an vier verschiedenen Standorten.

Herausforderung Covid-19

Der vierte (und wahrscheinlich nicht letzte) Standort ist Goldach. Dort wurde am 26. Januar dieses Jahres die erste Operation durchgeführt. «Für uns ist der Berit-Standort Goldach nach Speicher, Niederteufen und Arbon ein wichtiger Schritt in unserer strategischen Entwicklung einer qualitativ hochspezialisierten und kostengünstigen integrierten Versorgung für die gesamte Region», sagt Berit-CEO Peder Koch.

In der Grossregion Goldach will die Berit-Klinik die Bevölkerung und die Hausärzte mit spezialisierten Angeboten wie Ophthalmologie, Urologie, Kardiologie, Gastroenterologie, Orthopädie etc. unterstützen. Bei Vollbetrieb werden hier noch rund hundert Arbeitsplätze geschaffen.

So gross die Freude über den neuen Standort ist, so herausfordernd war für Berit das Covid-Jahr 2020. «Der wirtschaftliche Schaden, den der erste Lockdown im Frühjahr 2020 anrichtete, liess sich bis Ende 2020 nicht mehr aufholen», sagt Peder Koch. Für 2021 hofft er, dass die Berit ein mehr oder weniger «normales» Jahr haben werde. «Die Zusatzkosten für die Covid-19-Massnahmen werden aber auch die laufende Rechnung belasten.» Von Kanton oder Bund hat die Berit bis heute keinerlei finanzielle Unterstützung erhalten, obwohl sie bei der Pandemiebekämpfung im Ausserrhodischen eine wesentliche Rolle spielt Doch der CEO ist froh, dass heuer zumindest wieder in einem normalen Rhythmus operiert werden kann.

Was die Massnahmen des Bundesrates anbelangt, so sei es «zwar immer leicht, zu kritisieren». Aber: «Im Nachhinein sieht man, dass den gemachten Erfahrungen in der Pandemie zu wenig Rechnung getragen worden ist. Insbesondere in der Kommunikation und in der Bürokratie wurden Fehler gemacht, die sich wiederholt haben», sagt Peder Koch. Die tatsächlichen medizinischen Lehren aus der Pandemie könnten aber erst in mittelbarer Zukunft gezogen werden. «Hier gilt es dann, alles genau zu analysieren und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.»

Bestehenden ebenso viel Sorge tragen wie Neuen

Der Hauptstandort der Berit-Klink ist nach wie vor Speicher AR. Für Peder Koch waren weniger die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausschlaggebend bei der Wahl des Klinikstandortes. Für ihn ging es vor allem darum, ein geeignetes Grundstück zu finden, wo man eine Geschäftsidee aufbauen und entwickeln kann – und das hat auf der Vögelinsegg gut geklappt. Eine Erfahrung allerdings trübt den guten Eindruck etwas: «Wir haben in den letzten Jahren im Kanton Appenzell Ausserrhoden wahrscheinlich am meisten Stellen geschaffen. Einen offiziellen Besuch der Wirtschaftsförderung oder eine andere Form der Würdigung blieb bis dato aber aus», sagt Koch. «Aus unserer Erfahrung würde ich daraus folgern, dass man den bereits bestehenden Unternehmen mindestens ebenso viel Sorge tragen sollte wie den potenziellen Neuansiedlungen.» Dass die Berit im Wirtschaftsraum Appenzellerland eine wichtige Rolle spielt, zeigt sich auch den Stellenbesetzungen.

So kennt die Klinik im Gegensatz zu anderen Leistungserbringern in der Schweiz keinen Fachkräftemangel, und Stellen können innert kürzester Frist besetzt werden. «Darauf sind wir besonders stolz. Wir haben in den letzten Jahren mehrer Hundert neue Stellen besetzt – und haben sogar Warteliste», erklärt Koch. Für den laufenden Betrieb können regionale Unternehmen die Berit mit Produkten und Dienstleistungen in einem jährlich zweistelligen Millionenbetrag beliefern.

Die Lohnsumme beträgt rund 50 Millionen pro Jahr; unter Koch wurden zudem rund 75 Millionen investiert. Nachteile in verkehrstechnischer Hinsicht sieht Koch für die Berit-Klinik am Standort Speicher nicht, obwohl der nächste Autobahnanschluss rund sechs Kilometer entfernt liegt. «Wir sind mit allen unseren Standorten gut angebunden. Ein möglichst naher Autobahnanschluss ist für uns nicht so entscheidend wie für andere Betriebe.» Dafür habe die ländliche Region den Vorzug von Ruhe, intakter Natur und erholungsfördernder Umgebung.

Den liberalen Weg nicht verlassen

Generell empfindet Peder Koch die Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandorts Appenzellerland im Vergleich zu anderen Kantonen gut. «Es ist jedoch Vorsicht geboten, dass von dem eingeschlagenen Weg eines liberal denkenden und so erfolgreich gewordenen Kantons nicht abgewichen wird», betont Koch. Die Stärken des Kantons sieht der Berit-CEO in einem «bodenständigen, von Innovationen geprägten Denken».

Die Schwächen ortet er «bei einer zunehmenden Bürokratisierung, die schlussendlich in hinderlichen Voraussetzungen für Unternehmen münden». Hier gelte es, die kurzen Wege, die in der Ausserrhoder Verwaltung traditionell herrschen, nicht zugunsten von immer mehr Vorschriften, Reglementen und Gesetzen zu verspielen und den föderalistischen Strukturen, die das Appenzellerland und die Schweiz erfolgreich gemacht haben, Sorge zu tragen. Für Koch ist ein Wirtschaftsstandort dann attraktiv, wenn er sich auf seine Stärken konzentriert. Das gilt auch für den Bereich Tourismus. Infolge der Corona-Pandemie werden zurzeit vermehrt Ferien im Inland gemacht, wovon auch das Appenzellerland profitiert.

«Das Appenzellerland und die Schweiz sollten sich auch hier auf das konzentrieren, was sie stark gemacht hat: Nischenplayer mit gutem Preis-Leistungsverhältnis und hoher Dienstleistungsqualität.» Die Coronapandemie habe zwar mitgeholfen, dass die Vorzüge von Ferien im eigenen Land sozusagen zwangsläufig einer breiten Bevölkerungsschicht aufgezeigt wurden. «Da waren wir aber bereits vor der Pandemie gut aufgestellt.» Auch hier sei ein eigenständiger, föderalistischer Weg entscheidend.

Auf die hören, die betroffen sind

Ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig, der traditionell in den beiden Appenzell stark vertreten ist, ist die Landwirtschaft. Ihr weht mit den beiden aktuellen Agrarinitiativen – Trinkwasser und Pestizide – ein rauer Wind ins Gesicht. Auch hier hat Peder Koch als Bergbauernsohn eine klare Haltung: «Die Bauernbetriebe selbst sollten ein gewichtigeres Wort zu sagen haben als das politische Establishment und Personen, die noch nie selbst auf dem Feld waren und nicht wissen, was es braucht, bis man ein Produkt ernten kann.»

Er könne sich nicht vorstellen, dass ein Bauer etwas produzieren wolle, was seine langfristige Existenz gefährde, sprich die Umwelt negativ belaste. «Auch hier gilt, wie übrigens beim Tourismus auch: Wir sollten vermehrt auf die hören, die direkt betroffen sind und wissen, wovon sie sprechen. ‚Schreibtischtäter’, die aus einem Elfenbeinturm – sprich aus einer Amtsstube heraus – immer neue Vorschriften und Verbote kreieren, sind für jeden Wirtschaftszweig hinderlich.» Eine florierende Wirtschaft sei noch immer die Basis unseres Wohlstandes – und schlussendlich habe eine Verwaltung nur durch sie eine Daseinsberechtigung. «Natürlich gilt es, auch Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Das tun wir in der Schweiz aber schon vorbildlich.»

Dieser Text ist aus der LEADER Ausgabe April 2021. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch stgallen24.ch.

Stephan Ziegler