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27.02.2021

Warum sind die Frauen verhüllt?

Plakat der Ausstellung in Wien
Plakat der Ausstellung in Wien Bild: Wiener Ausstellung
Toggenburg24 ist der Frage nachgegangen, um herauszufinden, weshalb die Frauen sich teils oder ganz verhüllen, denn wir kennen den islamischen Glauben nicht.

Ein mit unzähligen Bedeutungen aufgeladenes Stück Stoff erhitzt die Gemüter: das Tuch, mit dem sich religiöse Frauen ihren Kopf, ihr Antlitz und mitunter den ganzen Körper bedecken. Doch das Gebot für Frauen, sich das Haupt zu verhüllen, ist seit Jahrhunderten ebenso Bestandteil der europäischen Kultur. Seine Geschichte reicht von den Anfängen des Christentums bis in unsere Zeit.

Als sündig und den Männern verfügbar gelten

Während ein Teil der jungen Musliminnen sich in der Öffentlichkeit gegenüber Fremden verschleiern muss, da sie sonst als sündig und den Männern als verfügbar gelten, kreieren andere eine Art Streetwear-Look, farbenfroh und frech, sexy und züchtig zugleich. Im Iran stellen sich Aktivistinnen mit offenem Haar gut sichtbar auf belebte Kreuzungen und schwenken als Zeichen des Protests ihr Kopftuch, während im Westen sich Designerinnen an der Mode der 1950er Jahre orientieren und Vintage-Kopftücher im Programm führen. «Modest Fashion», körperferne Kleidung ist über Religion hinweg weltweit ein Milliardengeschäft. Queen Elizabeth II. trägt nach wie vor als persönliches Branding ein Kopftuch von Hermès, nicht nur wenn sie ausreitet.

Umstrittene Verhüllung in der Schweiz Bild: toggenburg24/Web/freie Nutzung

Keine totale Verhüllung im Koran gefordert

Die Verhüllungsvorschriften, die sowohl der sunnitische als auch der schiitische Islam propagieren, sind im Koran nicht existent. Im Koran steht lediglich, dass die Frau ihre «Aurah» zu bedecken hätte. Aurah schließt den Kopf jedoch definitiv aus.

«Im Koran steht dazu Folgendes:«Und sag zu den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham hüten, ihr Schmuck nicht offen zeigen, außer dem, was (sonst) sichtbar ist. Und sie sollen ihre Kopftücher auf den Brustschlitzen ihr Gewandes schlagen und ihr Schmuck nicht offen zeigen, außer Ehegatten, ihre Vätern, den Vätern ihrer Ehegatten, ihren Söhnen den Söhnen ihrer Ehegatten, ihren Brüdern, den Söhnen ihrer Brüder und den Söhnen ihrer Schwestern, ihre Frauen, denen, die ihre rechte Hand besitzen, den männlichen Gefolgsleuten, die, die auf die Blöße der Frauen (noch) nicht aufmerksam geworden sind. Und sie sollen ihr Füße nicht aneinanderschlagen, damit (nicht) bekannt wird, war sie von ihrem Schmuck verborgen tragen. Wendet euch alle reumütig Allah zu, ihre Gläubigen, auf dass es euch.»»
Koran 24:31
Verhüllte Frau Bild: toggenburg24/Web/freie Nutzung

Vor Wind, Sonne und Sand sich schützen

Der Ursprung der Verhüllung an sich liegt in der VOR-islamischen Sunnah begründet. Schon Jahrhunderte vor Muhammad gab es zahllose Reitervölkchen in Arabien und den angrenzenden Gebieten, bei denen es Sunnah (Brauch, Sitte, Gewohnheit, Usus, Tradition) war, sich vor Wind, Sonne und Sand mittels diverser Tücher zu schützen.

Der Brauch wurde schon vor dem Koran gelebt

Dies war auch durchaus vernünftig wegen der dortigen klimatischen Bedingungen, hatte aber mit Religion oder Glaube nichts zu tun. Auch das Umfeld des Propheten Muhammad lebte diesen und viele andere Bräuche, lange bevor Muhammad den Koran übersandt bekam.

Ureigentlich klimatisch getragen

Und erst viele viele Jahrzehnte nach Muhammads Tod hat sich die sunnitische Sunnah gebildet, in der leider Gebote aus dem Koran mit der vorislamischen Sunnah vermischt wurden. Der gläubige Sunnite macht hierbei den Fehler, der Muslima die Verschleierung grundsätzlich vorschreiben zu wollen, obwohl es ureigentlich nur dort getragen wurde, wo es klimatisch bedingt sinnvoll war.

Kurz gesagt: 

Es ist keine islamische Pflicht, Kopf oder Gesicht in irgendeiner Weise zu verhüllen.

Aus psychologischer Sicht trägt leider jedes einzeln getragene Kopftuch dazu bei, den Druck auf die unverhüllten Muslima zu erhöhen, sich ebenfalls zu verhüllen. Die islamischen Eiferer bezichtigen die unverhüllten Frauen nämlich allzu gerne der sogenannten Unzucht, also dem vor- oder ausserehelichen körperlichen Umgang mit dem anderen Geschlecht. Pauschal einfach nur weil sie unverhüllt sind. Insbesondere für pubertäre Muslima ist das äusserst kritisch, da man in diesem Alter sehr stark glaubt, auf die Akzeptanz des Umfeldes angewiesen zu sein.

Unanständige Kleidung im christlichen Glauben

Zu Beginn der 1920er Jahre beklagt der Papst den Leichtsinn von Frauen, die sich beim Tanzen in «unanständiger» Kleidung über die Grenze der Schamhaftigkeit hinwegsetzen.

Zur Zeit des autoritären österreichischen Ständestaates und des Nationalsozialismus sollen Kopftuch und Dirndl Heimat und Bodenständigkeit vermitteln.

In den 1950er Jahren steht das bedruckte Kopftuch als Modeaccessoire für Luxus, Eleganz und Emanzipation. Schritt für Schritt werden die Machtverhältnisse in den Geschlechterbeziehungen hinterfragt.

Kopftuch der 50er Jahre als Modetrend Bild: toggenburg24/Web/freie Nutzung

Bedecktes Haupt als Vorrecht verheirateter Frauen

Für die Christen wird der Schleier zum Sinnbild der Ehrbarkeit, Schamhaftigkeit und Jungfräulichkeit. Der Apostel Paulus fordert von den Frauen, ihr Antlitz mit einem Schleier zu verhüllen, wenn sie mit Gott reden.

Offenes Haar gilt als unsittlich, nur der Jungfrau Maria kommt mitunter solches zu. Das bedeckte Haupt zählt zum Vorrecht verheirateter Frauen wie zur Ordenstracht der Nonnen. Trauernde legen den Witwenschleier an. Im Spätmittelalter bestimmen in den Städten Europas Kleiderordnungen, wie sich die Frauen Kopf und Hals zu umhüllen haben.

Patricia Rutz/Toggenburg24