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Kantone
25.01.2021

Die verharmlosenden «St. Galler»

Im Fadenkreuz der «SonntagsZeitung»: Regierungspräsident und Gesundheitsdirektor Bruno Damann
Im Fadenkreuz der «SonntagsZeitung»: Regierungspräsident und Gesundheitsdirektor Bruno Damann Bild: zVg
Die «SonntagsZeitung» erstellte am Wochenende eine «Chronik einer tödlichen Verharmlosung». Darin stellt sie den Kanton St.Gallen wegen seiner Coronapolitik an den Pranger.

Es ist starker Tobak, was die fünf Journalisten Thomas Knellwolf, Roland Gamp, Oliver Zihlmann, Duc-Quang Nguyen und Svenson Cornehls da unter eine süffige Schlagzeile packen: Sie vergleichen den Kanton Basel Stadt mit dem Kanton St.Gallen und kommen zum Schluss, dass während der zweiten Welle in Basel die Übersterblichkeit am geringsten, in St.Gallen aber am höchsten war: «Im bevölkerungsreichsten Ostschweizer Kanton starben ab Mitte Oktober zwölf Wochen lang fast doppelt so viele über 65-Jährige wie zu erwarten gewesen wäre. In Basel-Stadt lag die Übersterblichkeit sechsmal tiefer als in St.Gallen.»

Schuld sind Damann, Vernazza, Schmid

Die SonntagsZeitungs-Journalisten finden die Erklärung für die Übersterblichkeit in der laschen Haltung des Kantons gegenüber der Pandemie, die vor allem Gesundheitsdirektor Bruno Damann angelastet wird. Bis in den Winter hinein habe es ein Muster gegeben: «Die Ostschweiz, allen voran St.Gallen, wehrt sich gegen strikte Massnahmen. Basel hingegen handelt: Es führt beispielsweise im August die Maskenpflicht in Läden ein, wie sie das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt. St.Gallen verkündet, dies sei aus medizinischer Sicht noch nicht nötig.»

Mitschuld an der Misere sei das «St.Galler Tagblatt» unter Chefredaktor Stefan Schmid, das den Kurs der Regierung mitgetragen und kaum kritisiert habe. Ebenfalls schuld sei Infektiologe Pietro Vernazza, Chefarzt am Kantonsspital St.Gallen, der mit skeptischen Äusserungen dazu beigetragen haben soll, die Pandemie zu verharmlosen und als Berater des St.Galler Regierungsrats für dessen kulante Haltung mitverantwortlich sei.

Aktuelle Zahlen sprechen eine andere Sprache

Die aktuellen Zahlen allerdings machen den SonntagsZeitungs-Artikel bereits bei seinem Erscheinen zu Makulatur: Der Kanton St.Gallen verzeichnete am 24. Januar gerade mal 19 Neuinfektionen – Basel Stadt deren zwölf. Zur Einordnung: Der Kanton St.Gallen hat 507'000 Einwohner, Basel Stadt 194'000. Bis heute verzeichnete der Kanton St.Gallen 1,22 Coronatote pro 1'000 Einwohner, Basel Stadt 0,89 (in absoluten Zahlen: SG 620, BS 174). In der ganzen Schweiz waren es durchschnittlich einer pro 1'000.

Man kann also durchaus argumentieren, dass striktere Massnahmen im Kanton unsere Zahlen noch weiter zum statistischen Mittel hin gedrückt hätten oder sogar darunter. Allerdings zeigen Zahlen aus «strengen» Kantonen wie dem Tessin oder dem Wallis, dass man einfach noch nicht genau sagen kann, welche Massnahmen wie greifen: Das Tessin mit 2,13 Todesfällen pro 1'000 Einwohnern bildet die traurige Spitze der Todesfälle-Pyramie, gefolgt vom Wallis mit 1,40.

stgallen24 findet:

Insgesamt starben letztes Jahr neun Prozent mehr Menschen in der Schweiz, als statistisch zu erwarten gewesen wären. Das zeigt, dass Corona eine markante Übersterblichkeit zur Folge hat. (Quelle: BFS)

Aber: Es könnte durchaus sein, dass 2021 eine Untersterblichkeit resultiert, weil die angeschlagenen Personen bereits heuer verstorben sind.

Könnte. Hätte. Sollte: Wir wissen einfach nach wie vor noch nicht genug über Covid-19, um mit absoluter Sicherheit sagen zu können, was für Massnahmen wirken. Welche überflüssig sind. Wie die Langzeitfolgen aussehen. Und was man wann hätte tun und lassen sollen.

Sind die besseren Zahlen im Kanton Basel Stadt also ein Zufallsprodukt? Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich hätte man auch in St.Gallen ... Aber da sind wir wieder bei Mutmassungen. Damit lassen sich zwar reissereische Artikel und klickträchtige Schlagzeilen produzieren. Dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung werden diese allerdings kaum gerecht.

stgallen24/stz./Toggenburg24