- Kolumne von Dr. Philipp Gut
Es waren beschämende Szenen, die sich auf dem Kapitol in Washington abspielten. Wie Lötschentaler Hexen verkleidete Demonstranten drangen fellbewehrt in den Sitz des Kongresses ein. Ein wüster Karneval, bei dem es sogar Tote gab.
Die Vereinigten Staaten von Amerika, die Mutter aller Demokratien, gaben sich vor der ganzen Welt eine Blösse. Gewaltherrscher rund um den Globus lachten sich in die Faust.
Party auf dem Pulverfass
Aber auch die Mehrzahl der Kommentatoren im Westen – die USA eingeschlossen – malt mit Wonne den Teufel an die Wand. Haben sie es nicht schon immer gesagt?
Die Ironie dieser in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlichen, ja, verrückten Präsidentschaft liegt darin, dass sie erst in der Dämmerung ihrer letzten Tage zu dem zu werden droht, was ihre Gegner immer schon in ihr sehen wollten: eine selbstzerstörerische Macht. Ein Pulverfass, auf dem man Party feiert.
Nancy Pelosi kennt kein Halten mehr
Jetzt gibt es kein Halten mehr. Nancy Pelosi, die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, sprach allen Ernstes davon, die US-Streitkräfte müssten einen «instabilen Präsidenten» daran hindern, «Militärschläge zu beginnen» oder einen «atomaren Angriff» zu befehlen.
Bleiben wir bei den Fakten: Kein Präsident in den letzten Jahrzehnten hat sich militärisch derart zurückgehalten wie Donald Trump. Während seine Vorgänger – Republikaner wie Demokraten – blutige Kriege anzettelten oder ihre Truppen auf tödliche überseeische Missionen schickten, hielten sich die USA unter Präsident Trump aus den Konfliktzonen dieser Welt heraus.
Europas Lebenslüge
Bei den europäischen Verbündeten sorgte für beleidigten Unmut, dass Trump sie an ihre eigene Verantwortung für einen sicheren Kontinent erinnerte, auch finanziell. Damit traf er einen wunden Punkt: Die Europäische Union hält bis heute die Lebenslüge aufrecht, aus eigener Kraft eine Ära des Friedens eingerichtet zu haben.
Die prosaische Wahrheit ist: Europas Stabilität nach dem Zweiten Weltkrieg gedieh unter dem Schutzschild der atomaren Bedrohung durch die beiden Supermächte USA und UdSSR, die sich gegenseitig in Schach hielten. Während allen voran die im Krieg unterlegenen Deutschen moralisch aufrüsteten, liehen ihnen die Amerikaner die Waffen, die sie für das Überleben brauchten.
Friedenstaube mit rhetorischem Schnellfeuergewehr
Donald Trump ist eine Friedenstaube mit rhetorischem Schnellfeuergewehr. Er twittert manchmal schneller als er denkt. Aber er ist alles andere als ein blutrünstiger Warlord. So viel Fairness muss sein, auch in der Stunde seines Untergangs.
Niederlage eines Unbesiegbaren
Ja, sein Untergang: Man muss es so hart sagen, auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass er versuchen wird, noch einmal anzutreten und die Scharte seiner Niederlage auszuwetzen.
Warum er so infantil, so störrisch und unsouverän auf seine Wahlniederlage reagiert hat, hängt mit seinem Charakter und seiner Selbstwahrnehmung zusammen. Der Tycoon, der Milliardär auf dem harten Pflaster von New York sieht sich als unbesiegbaren Dealmaker, als einen, der alle anderen über den Tisch zieht und immer gewinnt.
Trumps Ego-Problem
Dass er – aus seiner Sicht – gegen ein tatteriges Würstchen wie Joe Biden den Kürzeren zog, ist mit seinem übersteigerten Ego schlicht nicht zu vereinbaren. Darum bietet er dieses tragikomische Schauspiel.
Befreiungsschlag gegen politische Korrektheit
Es kommt in der Politik, wie überall, am Ende auf den Charakter an. Das Faszinierende am Phänomen Trump ist nun aber, dass seine grösste charakterliche Schwäche zugleich seine grösste Stärke ist – und umgekehrt.
Die ganze Welt staunte vor vier Jahren darüber, wie sich dieser brachiale Aussenseiter gegen alle Konventionen der amerikanischen Politik durchboxte. Seine selbstverständliche Missachtung der omnipräsenten politischen Korrektheit wirkte wie ein Befreiungsschlag. Sein unerwarteter Triumph war ein Erdbeben, welches das Establishment bis ins Mark erschütterte.
Das war erfrischend und gab vielen Zukurzgekommenen eine Perspektive, die der Präsident mit einer Entfesselungsstrategie für die Wirtschaft auch ökonomisch untermauerte.
«Donald Trump First»
Sein unglaublicher Aufstieg zum mächtigsten Mann der Welt war nur möglich, weil «The Donald» unerschütterlich an den Sieg glaubte, gegen den Widerstand seiner eigenen Partei, seiner Gegner und der Medien.
Sein übersteigertes Ego war der Motor seines Erfolgs. Sein Schlachtruf «America First» verschmolz auf kongeniale und zugleich peinliche Weise mit seinem Lebensmotto «Donald Trump First».
Das ist sein Glanz und sein Elend, das sich jetzt, am Ende, so deutlich offenbart.