Verstärkte Russifizierungspolitik
Ende des 18. Jahrhunderts teilten die Mächte Russland, Preussen und das habsburgische Österreich Polen, einen der grössten Flächenstaaten Europas, unter sich auf. Die stolze Nation revoltierte in der Folge wiederholt gegen dieses Unrecht. Der Januaraufstand von 1863/64 im russischen Teil Polens war eine der folgenreichsten Erhebungen. Ihr Misslingen führte zu einer verstärkten Russifizierungspolitik und zur Emigration, ja Flucht, vieler Menschen – insbesondere auch aus Kreisen der polnischen Elite.
Hauptquartier der Asylsuchenden
Im Protokoll des St. Galler Regierungsrates wird unter dem Datum des 16. März 1864 erstmals von solchen polnischen Flüchtlingen im Kanton St. Gallen berichtet. 25 Personen waren, per Dampfboot von Lindau herkommend, im Hafen von Rorschach eingetroffen. Sie hatten eine Odyssee durch halb Mitteleuropa hinter sich. Zunächst hielten sich die Polen am Bodensee auf. Später wurde die Kavalleriekaserne der Kantonshauptstadt zum Hauptquartier der Asylsuchenden. Einige Männer reisten recht bald wieder weiter, andere stiessen neu dazu. Zwischenzeitlich stieg ihre Zahl auf über 60 Personen.
Die Zuzüger seien fleissig, würden keine Probleme machen
Bei einem grossen Teil handelte es sich um Soldaten und Offiziere. Allerdings befand sich auch eine Mutter mit Kind darunter. Das Asylrecht war im jungen Bundesstaat noch wenig entwickelt. Auch deshalb korrespondierten die St. Galler Regierung und «Bundesbern» eifrig miteinander. Die alles entscheidende Frage war: Welche staatliche Ebene muss für welche Kosten aufkommen? Unstrittig war immerhin, dass die den Polen zugeschriebenen Charaktereigenschaften dem st. gallischen Wertekanon entsprachen: Die Zuzüger wären fleissig und machten keine Probleme, wurde berichtet.