Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Agenda
Magazin
06.12.2020

Die Pestepidemie von 1668

Buch zum Text, die Pest im 17. Jahrhundert
Buch zum Text, die Pest im 17. Jahrhundert Bild: toggenburg24/Web/freie Nutzung
Die Weihnacht im Ried oder der Ustertod. Ein Ausschnitt aus einer Weihnachtsgeschichte aus dem alten Zürich.

Im Jahr 1658 wütete die Pest im Ried von Uster.

Es könnte sich im Dezember 2020 zugetragen haben

Die Kräutermarie fand auf ihrem Weg durch das Ried von Uster zwei Tote im nassen Graben. Der eine hatte eine Schnapsflasche in der Hand. Doch starb er nicht am Alkohol, sondern an der Pest. Die beiden Toten wiesen Pestbeulen am Hals auf. Sie war auf dem Weg zum Schulmeister. Als sie dort ankam, traf sie auf die verängstigte Ehefrau, deren Tochter Ursula ebenfalls an der Pest erkrankt war. Die Kräutermarie warf alle Empfehlungen des nach ihren Worten Quacksalbers von Bubikon über den Haufen und konnte schliesslich das Mädchen heilen. Sie sprach viel mit dem Schulmeister, dem aufgefallen war, dass in den Weilern an den Rändern des Rieds Kneipen aufgegangen waren, üble Spelunken, wie er sie nannte. Keine Räuberherbergen, sondern richtige Schnapsasyle und immer gut besucht. Die Kräutermarie meinte, es sei dort nur Lumpengesindel anzutreffen. Doch der Schulmeister belehrte sie eines Besseren.

Mit der Seuche schien es, als falle alles entzwei und zusammen

Er erklärte ihr, dass in den Weilern Bauern, Familien, Diener, Knechte, Tagelöhner und Mägde wohnten. Wahrhaft eine kleine Welt. Der eine lebte vom anderen. Dem Bauer ging es vielleicht etwas besser als dem Knecht. Aber viel Reichtum war hier nicht zu erschaffen. Und in der Regel unterstützten sich alle gegenseitig.

Doch mit dieser Seuche schien es, als falle alles entzwei und zusammen. Der Halt fehlte, der Kitt. Dafür hatte sich Angst breit gemacht. Manch einer setzte den ganzen Wochenlohn in Schnaps um und versof ihn in einer einzigen Nacht. Alle waren sie verzweifelt, hoffnungslos. Sie wollten einfach nur noch ihren Kummer und ihr Elend vergessen. Doch es gab da welche, solche schmierigen, lichtscheuen Gesellen, die noch mit den Verzweifelten ihre Geschäfte machen wollten. Das war eine üble Gesellschaft, doch was sie taten, war nicht einmal verboten. So erklärte dies der Schulmeister.

Am Unglück, der Verzweiflung, der Trostlosigkeit liess sich verdienen

Die Kräutermarie war ab diesen Geschäften erstaunt. Doch der Schulmeister erklärte ihr, dass sich an allem verdienen lasse, am Unglück, an der Verzweiflung, an der Trostlosigkeit, so gut wie am Glück und an der Zuversicht. Am Unglück konnte man sich vielleicht sogar noch schneller bereichern, da der Wunsch an einer Änderung am grössten ist, wenn man das Vertrauen in Gott und die Menschen verloren hat. Dann ist man schnell bereit, Geld auszugeben für einen Zauberspruch, einen geweihten Stein aus dem heiligen Land oder ein Amulett. «Manchmal geben sie Pillen, die nichts anderes sind als geknetetes, getrocknetes Brot. Das ist das Lumpengesindel, welches dem Seuchenzug folgt wie Geier und sich in den Kneipen neben die verzweifelten Schnapser setzt, um ihnen in ihrer Trunkenheit einen nutzlosen Trost anzudrehen».

1668 gab es eine besondere Weihnachtsfeier

Die Kräutermarie war wütend und fand, dass man es denen heimzahlen müsste. Sie sah, was es für eine grosse Hoffnungslosigkeit gab und Weihnachten vor der Tür stand.

So beschloss sie, eine besondere Weihnachtsfeier 1668 zu planen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Botschaft von der Weihnachtsfeier, die im Wald stattfinden würde, nämlich um eine geschmückte Föhre, die viel schöner war als der Baum in der Kirche. Die Menschen sangen noch lange nach dem Weihnachtsfest ihre Lieder auf dem Heimweg.

Die Kräutermarie blieb über den Winter beim Schulmeister und im Frühjahr begab sie sich wieder auf Kräutersuche und schaute noch beim Quacksalber von Bad Bubikon vorbei. Die Geschichte von dort ist nicht belegt, doch sie wollte sich noch auf ihre Art rächen.

Toggenburg24