Die durch Wattwil fliessende Thur ist ein Bauwerk – auch wenn es auf den ersten Blick nicht den Anschein macht. Erstellt wurde die Gewässerverbauung im Rahmen der Thurkorrektion von 1907 bis 1914. Nach nunmehr 110 Jahren ist das Bauwerk am Lebensende und eine Sanierung wird nötig.
Die Funktion der Thur ist vielfältig und hat sich verändert. Sie gestaltet und prägt die Landschaft, sie transportiert Wasser und Geschiebe. Die Thur ist wichtig für das Ökosystem und speist auch das Grundwasser. Stand früher die Eindämmung der Gewässer und die Energienutzung im Zentrum, hat sich die Betrachtungsweise erweitert. Nebst den Aspekten des technischen Wasserbaus und um die Hochwassersicherheit (Schutz von Mensch, Tier, Natur und Infrastruktur) zu gewährleisten, sind auch die Ansprüche von Wirtschaftsstandort und Natur, der Naherholungssuchenden oder der Landwirtschaft interdisziplinär zu berücksichtigen. Die angemessene Abwägung der unterschiedlichen Interessen ist zweifellos eine grosse Herausforderung beim Thursanierungsprojekt.
Nach über 110 Jahren nagt der Zahn der Zeit am Bauwerk und folgende Mängel sind zu erkennen und zu beheben:
1. Hochwasserschutz
2. Sohlenabsenkung
3. Böschungsschäden – Bauwerk hat Lebensende erreicht.
Hochwasserschutz im Fokus
Obschon die Thur in der Regel ruhig und gemächlich durch Wattwil fliesst, ist sie eine ernst zu nehmende Gefahrenquelle. Ihr Wasserspiegel kann innert weniger Stunden stark ansteigen, was auch regelmässig zu beobachten ist. Grosse Hochwasser ereigneten sich 1910, 1965, 1977 und 1978 (Quelle: Ortsarchiv). Weitere Ereignisse waren 2006 und auch 2019. Die Gefahrenmodelle gehen zukünftig auch von mehr und intensiveren Extremereignissen aus.
Die Siedlung von Wattwil ist immer näher an die Thur herangewachsen und wichtige Entwicklungsgebiete liegen direkt an deren Ufer. Es ist deshalb wichtig, dass die Hochwassersicherheit der Thur, die heute den gesetzlichen Vorgaben nicht mehr entspricht, verbessert wird. Es ist zu beachten, dass entlang der Thur diverse Damm-Situationen bestehen, d.h. ein Hochwasser landseitig ausufern und die Muldenlagen einstauen können. Das kann je nach Ereignis oder Einstauhöhe zu lebensgefährlichen Situationen oder zu massiven Schäden an Infrastrukturen führen.
Sohle hat sich gesenkt
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Flusssohle – je nach Abschnitt bis zu mehr als einen Meter – abgesenkt. Durch dieses Sich-Eingraben wird der Uferschutz unterspült, aufgelöst oder weggeschwemmt. Die Sohleneintiefungen verhindern die freie Fischwanderung von der Thur zu den seitlichen Zuflüssen, da die steilabfallenden Einmündungen der Bäche ein unüberwindbares Hindernis darstellen.
Nebst den sichtbar baulichen Schäden hat die Sohlenabsenkung teilweise bereits die Seebodenlehm-Schicht freigelegt. Das Gewässer tieft sich ohne Massnahmen weiter ein und es besteht die Gefahr, dass das kostbare Grundwasser durchbricht und ungehindert in die Thur abfliesst.
Böschungsschäden – Lebensende erreicht
Die starken Beschädigungen beeinträchtigen die Funktionsweise des Bauwerks und den Hochwasserschutz massgeblich. So wurden bereits in den letzten Jahrzehnten punktuelle oder abschnittsweise Sanierungen realisiert. Es kommt jedoch immer wieder an anderen Stellen zu neuen Böschungsschäden. Mit einzelnen Massnahmen wurden die akuten Probleme zwar behoben, stellen aber ein nicht nachhaltiges Flickwerk dar.
Die Zustandsaufnahme zeigt ein weitestgehend beschädigtes Bauwerk, dessen Lebensende nach 110 Jahren erreicht ist. Die Gewässerverbauung der Thur erfordert im Bereich des Siedlungsgebietes von Wattwil eine umfassende Instandstellung. Mit einem Gesamtsanierungsprojekt können die verschiedenen Defizite und Mängel behoben werden. Seit rund 20 Jahren laufen nun die Planungen und Abklärungen für ein bewilligungsfähiges Projekt. Das Thurbauwerk muss in den nächsten Jahren erneuert werden, damit es auch für die kommenden 100 Jahre seinen Zweck erfüllen kann. Wie bereits die Thurkorrektion vor 110 Jahren, ist dies wieder eine wichtige Investition in die Zukunft und die Entwicklungsmöglichkeiten Wattwils.