Es ist Sonntagnachmittag, die Gänge hinter und unter der Tonhallenbühne sind noch ruhig. Vereinzelt treffen bereits Musiker und Darsteller ein, gewaschene oder reparierte Kostüme werden auf die Garderoben verteilt.
Im kleinen Raum, der hinter dem Orchestergraben liegt, bereiten sich Hugo Bollschweiler und Kurt Pius Koller für die heutige Aufführung vor. Steht Bollschweiler am Dirigentenpult, übernimmt Koller das Einsingen des Chores.
Proben aufgeteilt
Die Dirigenten teilen sich die Aufführungen hälftig. Dass dabei kein Wirrwarr durch verschiedene Interpretationsansätze entsteht, ist einer sorgfältigen und langen Vorbereitungszeit zu verdanken. Kurt Pius Koller, der Mascagnis Meisterwerk schon lange kennt – Teile daraus waren immer wieder mit Chor und Orchester konzertant aufgeführt worden – hatte sich im vergangenen Sommer minutiös eingearbeitet.
«Statt an den Strand zu gehen, blieb ich im Zimmer und studierte die Partitur», erinnert er sich. Anschliessend besprach er mit Hugo Bollschweiler seine Interpretation, die Probenarbeit wurde aufgeteilt. Allfällige Problemzonen wurden im Anschluss an Proben besprochen.
Mit Begeisterung dabei
Hugo Bollschweiler kennt die Opernwelt sehr gut: Er spielt als Bratschist im Zürcher Opernhaus. Nebst vier Laienorchestern und einem Jugendsinfonieorchester, deren musikalischer Leiter er ist, stellt die Wiler Produktion seine erste Opernerfahrung als Dirigent dar. «Wo ich bisher nur die Noten vor mir sah, habe ich nun das ganze Panorama des Orchesters vor mir».
Dieser Perspektivenwechsel ist für Bollschweiler eine spannende Herausforderung, der er sich mit Begeisterung widmet. Für ihn war während der Probenphase vor allem die Wechselwirkung zwischen Musik und szenischer Darstellung spannend: Was kann die Musik dazu beitragen?
Spannungsfeld Bühne
Koller kennt die Wiler Opernwelt schon lange und ist sich der Spannung zwischen Musik und Bühne bewusst. Für Laiendarsteller ist es ungemein schwierig, sich während der szenischen Darstellung an alles zu erinnern, was in den musikalischen Proben erarbeitet wurde. Feinheiten können verloren gehen, das Spielen der Rolle kann von Einsätzen ablenken.
Doch Koller ist sich bewusst, dass er hier nicht den gleichen Massstab ansetzen darf wie bei einer konzertanten Aufführung und tritt bildlich gerne einen kleinen Schritt zurück. Zumal die Inszenierung durch Regina Heer grossen Wert auf die individuelle Figurensprache des Chores legt, was ein immens grosser Sympathiepunkt dieser Produktion ist.
Homogener Klang
Dennoch ist die «Cavalleria rusticana» für den Chor ein grossartiges Werk, auf das man gewartet habe: «Dem Chor kommt eine sehr tragende Rolle zu», erläutert Koller die Rolle der Sängerinngen und Sänger. Weit darüber hinaus, nur als Statist zu fungieren, ist der Chor enorm präsent und hat eine tragende Aufgabe. Koller hat Freude an seinem Chor, der v. a. bei den Männerstimmen mit Zuzügern ergänzt wurde.
Es war nicht einfach, in der relativ kurzen Zeit einen solch homogenen Klang zu erarbeiten. Immens wichtig dabei ist das Einsingen vor den Aufführungen, gerade für die Sonntagnachmittags-Vorstellungen, wenn die Erholungszeit vom Vorabend nicht sehr lange war. Doch bevor es an die Arbeit geht, tauschen die beiden Dirigenten noch rasch einen neuen Bratschenwitz aus.