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Wattwil
15.12.2023
16.12.2023 07:49 Uhr

«Das Toggenburg braucht eine koordinierte Gesundheitsversorgung »

Die Regierung hat auf die einfache Anfrage betreffend GNZ Berit Klinik Wattwil beantwortet.
Die Regierung hat auf die einfache Anfrage betreffend GNZ Berit Klinik Wattwil beantwortet. Bild: beritklinik.ch/screenshot
Die Regierung hat geantwortet: Mathias Müller-Lichtensteig, Adrian Gmür-Bütschwil-Ganterschwil und Hansruedi Thoma-Kirchberg erkundigten sich in ihrer Einfachen Anfrage vom 22. November 2023 nach dem weiteren Vorgehen betreffend Differenzen zwischen dem Gesundheitsdepartement und dem Gesundheitsund Notfallzentrum (GNZ) Wattwil.

Die Regierung antwortet wie folgt:

«Gestützt auf die Vorlage «Weiterentwicklung der Strategie der St.Galler Spitalverbunde» (22.20.02 et al.) stimmte der Kantonsrat mit Beschluss vom 2. Dezember 2020 der Schliessung des Spitals Wattwil zu und legte Wattwil als Standort mit einem GNZ fest, der über ein auf den regionalen Bedarf abgestimmtes Notfallversorgungsangebot verfügen soll (sGS 320.202). Seit April 2022 betreibt die Berit Klinik AG am Standort Wattwil ein Ambulatorium mit Tagesklinik, ein Notfallzentrum und eine Alkoholkurzzeittherapie (Psychosomatische Abteilung [PSA]).

Angebot ist kleiner

Die Berit Klinik Wattwil verfügt im Bereich Akutsomatik gemäss Spitalliste nur über einen Leis tungsauftrag für die Leistungsgruppe «ANB-GNZ Akutstationäre Notfallbetten am Gesundheits- und Notfallzentrum». Die stationäre Behandlung von Patientinnen und Patienten ist ausschliesslich auf Kurzaufenthalte von Patientinnen und Patienten aus der Notfallstation sowie auf Patientinnen und Patienten für den körperlichen Alkoholentzug im Vorfeld der Aufnahme auf die PSA beschränkt. Unter Kurzaufenthalte von Notfallpatientinnen und -patienten fallen gemäss Botschaft zur Weiterentwicklung der Strategie der St.Galler Spitalverbunde grundsätzlich Behandlungen mit einer Aufenthaltsdauer von höchstens 24 Stunden. Ist ein weiterführender stationärer Aufenthalt angezeigt, soll die Patientin bzw. der Patient für weitere Abklärungen, Behandlung und Betreu ung an ein Mehrspartenspital überwiesen werden.

Es besteht somit ein Unterschied im Spektrum der behandelbaren Patientinnen und Patienten zwischen dem Leistungsumfang des Notfallzentrums in Wattwil und den Notfallstationen der Mehrspartenspitäler im Kanton St.Gallen. Auch gegenüber dem ehemaligen Spital Wattwil ist das aktuelle stationäre Angebotsspektrum der Berit Klinik AG Wattwil deutlich kleiner, was zwangsläufig zu niedrigeren Frequenzen führt. Folglich wird wie bis anhin und auch künftig in Wattwil kein Akutspital mit stationärem Angebot geführt.

Kurzaufenthalte von höchstens zwei Tage

Dem Leistungsvertrag zwischen dem Gesundheitsdepartement und der Berit Klinik AG liegen verschiedene rechtliche Grundlagen zugrunde – u.a. auch die Botschaft «Weiterentwicklung der Strategie der St.Galler Spitalverbunde» mit den besagten Ausführungen zur Aufenthaltsdauer. Der Leistungsvertrag regelt in Ergänzung zu den bestehenden rechtlichen Grundlagen Einzelheiten der Erbringung und Abgeltung des Notfallversorgungsangebots. Im VIII. Nachtrag1 zum Regierungsbeschluss über die Spitalliste Akutsomatik (sGS 331.41), in dem die Aufnahme der Berit Klinik Wattwil auf die Spitalliste Akutsomatik geregelt wurde, wurde ebenfalls festgelegt, dass die stationäre Behandlung von Notfallpatientinnen und -patienten auf Kurzaufenthalte beschränkt ist. Als Kurzaufenthalte gelten nach Auffassung des  Gesundheitsdepartementes nur Aufenthalte mit höchstens zwei Übernachtungen. Ein Kurzaufenthalt muss deutlich unter der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer aller st.gallischen Patientinnen und Patienten liegen, die in einem Akutspital behandelt worden sind. Diese belief sich im Jahr 2022 auf rund 5,1 Tage.

Das wird nicht geduldet

Werden die Akutgeriatrie und Palliativmedizin oder Leistungen der hochspezialisierten Medizin (z.B. Organtransplantationen) mit bedeutend längeren Aufenthaltsdauern ausgeklammert, liegt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer wesentlich tiefer. Eine Auswertung des Gesundheitsdepartementes ergab, dass im Jahr 2022 an der Berit Klinik Wattwil rund 20 Prozent der stationär behandelten Patientinnen und Patienten drei oder mehr Nächte hospitalisiert wurden. Dies wird nicht geduldet und deshalb leistet der Kanton seit dem1. November 2023 auch keine Vergütung mehr, wenn sich Notfallpatientinnen und -patienten in der Berit Klinik Wattwil drei oder mehr Nächte stationär aufhalten. Die Regierung verweist im Übrigen auf ihre Antwort auf die Einfache Anfrage 61.23.59 «Umfährt Rettung St.Gallen die Berit Klinik Wattwil absichtlich?».


Zu den einzelnen Fragen:


1. Es fanden zwischen der Berit Klinik AG, dem Gesundheitsdepartement und der RettungSt.Gallen mehrere Gespräche und Schriftenwechsel statt. Im Vordergrund dieser Gesprächestand v.a. die Frage, welche Verbindlichkeit den Aussagen in der Botschaft «Weiterentwicklung der Strategie der Spitalverbunde» und im Regierungsbeschluss zur Aufnahme der BeritKlinik AG Wattwil auf die Spitalliste Akutsomatik beigemessen wird, sowie die Rechtsauffassung, was unter kurzstationären Notfallaufenthalten zu verstehen ist. Gleichzeitig wurde die Rettung St.Gallen angewiesen, Notfallpatientinnen und -patienten aus dem Toggenburg in das Notfallzentrum Wattwil einzuweisen, sofern das Notfallzentrum Wattwil für die Behandlung geeignet ist (die Behandlung darf nicht länger als voraussichtlich zwei Nächte dauern) bzw. nicht ein anderer Patientenwunsch vorliegt.

2. Mit der Vorlage «Anpassung der Organisationsstruktur der Spitalverbunde» (22.23.04 und 23.23.01) ist vorgesehen, dass der Kantonsratsbeschluss über die Festlegung der Spitalstandorte aufgehoben wird. In diesem Beschluss werden die Spitalstandorte der Spitalverbunde und die von den Spitalverbunden betriebenen GNZ-Standorte aufgeführt. Nicht Bestandteil dieses Kantonsratsbeschlusses sind Spital- oder GNZ-Standorte, die von Dritten betrieben werden (z.B. das Spital Walenstadt oder das GNZ Wattwil). Diese Standorte sind somit von einer Aufhebung dieses Kantonsratsbeschlusses und der  Kompetenzverlagerung an den Verwaltungsrat, selber über GNZ-Standorte der Spitalverbunde zu entscheiden, auch nicht betroffen. Der Verwaltungsrat der Spitalverbunde ist heute und auch in Zukunft nicht zuständig, über die von Dritten betriebenen Spital- oder GNZ-Standorte zu entscheiden.

3. Ein GNZ verfügt grundsätzlich über einen ambulanten Leistungsauftrag (d.h. die Patientinnen oder Patienten bleiben nicht über Nacht im GNZ). In der  Botschaft «Weiterentwicklung der Strategie der Spitalverbunde» wurde nach Auswertung der Vernehmlassung vorgesehen, dass ein GNZ für Patientinnen und Patienten, die aufgrund der Behandlungs- und Betreuungssituation nicht direkt nach Hause gehen können, zusätzlich über ein Angebot an akutstationären Notfallbetten verfügen kann. Es wurde grundsätzlich von einer Behandlungsdauer von höchstens 24 Stunden ausgegangen. Falls ein weiterführender stationärer Aufenthalt angezeigt sei, werde die Patientin bzw. der Patient für weitere Abklärungen, Behandlung und Betreuung an ein  Mehrspartenspital überwiesen. Mit dem Regierungsbeschluss über die Aufnahme der Berit Klinik Wattwil auf die Spitalliste Akutsomatik wurde ihr die Leistungsgruppe «ANB-GNZ Akutstationäre Notfallbetten am Gesundheits- und Notfallzentrum» zugeteilt. Die stationäre Behandlung von Patientinnen und Patienten ist gemäss diesem Beschluss ausschliesslich auf Kurzaufenthalte von Patientinnen und Patienten aus der Notfallstation sowie auf Patientinnen und Patienten für den körperlichen Alkoholentzug im Vorfeld der Aufnahme auf die PSA beschränkt. Die Beschränkung der stationären Aufenthalte auf höchstens zwei Nächte gibt die Rechtsauffassung des Gesundheitsdepartementes wieder. Eine Verfügung dazu wurde nicht erlassen. Der Berit Klinik Wattwil wurde mit Schreiben vom 30. Oktober 2023 mitgeteilt, dass der Kanton für längere Aufenthalte von Notfallpatientinnen und -patienten keine Vergütung mehr leistet. Gegen die Ablehnung einer Ver gütung im Einzelfall könnte die Berit Klinik Wattwil rechtlich vorgehen. Mit der neuen Spitalliste Akutsomatik 2024 (geplante Invollzugsetzung per 1. April 2024) ist vorgesehen, die Leistungsgruppe «ANB-GNZ» explizit auf Spitalaufenthalte von  höchstens zwei Nächten zu begrenzen.

4. Patientinnen und Patienten, bei denen sich bereits vor einer Spitaleinweisung eine Behandlungsdauer von mehr als zwei Nächten abzeichnet, sind in ein Mehrspartenspital einzuweisen. Falls man bei der Einweisung von einer Behandlungsdauer von höchstens zwei Nächten ausgeht und sich anschliessend – entgegen dieser Annahme – eine längere Behandlungsdauer abzeichnet, ist eine Verlegung in ein Mehrspartenspital vorzunehmen.

5. Die Berit Klinik Wattwil rechnet stationäre Notfallaufenthalte nach dem Tarifsystem Swiss-DRG ab. Es handelt sich dabei um schweregradabhängige  Fallpauschalen, die zu 45 Prozent vom Krankenversicherer und zu 55 Prozent vom Wohnkanton der Patientin oder des Patienten finanziert werden. Der Kanton beteiligt sich jedoch nur an Spitalaufenthalten, wenn der Leistungserbringer über einen entsprechenden Leistungsauftrag verfügt. Deshalb leistet der Kanton ab dem 1. November 2023 keine Vergütung mehr, wenn Notfallpatientinnen und -patienten an der Berit Klinik Wattwil drei oder mehr Nächte  behandelt werden. Würde die Behandlung an einem für die Behandlung zugelassenen Spital erfolgen, würde sich der Kanton mit 55 Prozent an der  verrechneten Fallpauschale beteiligen. Die Frage, ob die Entschädigung bei einem zugelassenen Leistungserbringer höher ausfällt oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Massgebend ist gemäss Art. 41 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (SR 832.10; abgekürzt KVG), dass der Leistungserbringer für die Behandlung zugelassen ist.


6./7. Vom 1. Januar bis 31. Oktober 2023 wurden von der Rettung St.Gallen 1'137 Notfallpatientinnen und Patienten aus dem Toggenburg für eine ambulante oder stationäre Behandlung in ein Spital eingewiesen. Rund 46 Prozent der Einweisungen erfolgten in das Spital Wil, rund 18 Prozent der  Einweisungen ins Kantonsspital St.Gallen, rund 10 Prozent ins Spital Linth, je rund 8 Prozent ins Spital Grabs bzw. in die Berit Klinik Wattwil und rund 10  Prozent in andere Spitäler und Kliniken (z.B. Ostschweizer Kinderspital, Psychiatrische Klinik oder Hirslanden Klinik Stephanshorn). In diesem  Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Patientinnen und Patienten aus den Gemeinden Kirchberg und Wildhaus schon vor der Aufhebung des Spitals Wattwil mehrheitlich eine Behandlung im Spital Wil bzw. im Spital Grabs bevorzugten. Eine aufwändige Teilauswertung von mehr als 200 Toggenburger Patientinnen und Patienten, die von der Rettung St.Gallen für eine stationäre Behandlung ins Spital Wil eingewiesenworden sind, ergab, dass rund 60  Prozent mehr als zwei Nächte im Spital bleiben mussten. Rund 40 Prozent der Patientinnen und Patienten blieben eine Nacht oder zwei Nächte. Fast die Hälfte der Patientinnen und Patienten, die nur eine oder zwei Nächte im Spital Wil verblieben, sind entweder verstorben oder mussten verlegt werden. Die Verlegungen erfolgten i.d.R. aus medizinischen Gründen zu einem anderen Leistungserbringer. Es verbleiben somit rund 23 Prozent der stationär am Spital Wil behandelten Patientinnen und Patienten, für die – ausgehend von der Aufenthaltsdauer – eine Behandlung in der Berit Klinik Wattwil in Frage gekommen wäre. Ob auch aus medizinischer Sicht eine Behandlung in der Berit Klinik Wattwil möglich gewesen wäre oder ob ein entsprechender Zielspital-Wunsch der Patientin oder des Patienten vorlag, kann aufgrund der vorliegenden Daten nicht beantwortet werden.

Die Rettung St.Gallen wurde vom Gesundheitsdepartement angewiesen, Toggenburger Notfallpatientinnen und -patienten, die an der Berit Klinik Wattwil behandelt werden können und für die sich keine längere Aufenthaltsdauer als zwei Nächte abzeichnet, grundsätzlich der Berit Klinik Wattwil zuzuweisen. Bei der Einweisung ist zudem die Empfehlung der einweisenden Ärztin oder des einweisenden Arztes zu befolgen bzw. der Wunsch der Patientin oder des Patienten zu berücksichtigen, sofern nicht aus medizinischen Gründen eine Behandlung in einem Mehrspartenspital angezeigt ist. Bei ambulant behandelten Patientinnen und Patienten besteht grundsätzlich kein Grund für eine Nichtberücksichtigung des Notfallzentrums Wattwil – immer vorausgesetzt, dass kein anderslautender Patientenwunsch oder keine anderslautende Einweisungsempfehlung einer Ärztin oder eines Arztes vorliegt.

8. Das Spital Wil war in den ersten Monaten nach der Schliessung des Spitals Wattwil nicht immer in der Lage, alle Notfallpatientinnen und -patienten aufzunehmen und musste deshalb Verlegungen von Patientinnen und Patienten vornehmen. Mit der Erweiterung des Notfalls und der Inbetriebnahme des  Erweiterungsbaus verfügt das Spital Wil nun über deutlich mehr Kapazitäten, so dass Verlegungen aus Platzgründen die Ausnahme bleiben sollten. Einfach verfügbare Daten liegen dazu nicht vor.

9. Bei einer Beschränkung der stationären Spitalbehandlungen auf höchstens zwei Nächte hätte die Berit Klinik Wattwil von April bis Dezember Jahr 2022  (d.h. während neun Monaten) rund 400 stationäre Aufenthalte verzeichnet. Dies entspricht den ursprünglichen Annahmen für die Festlegung der jährlichen Pauschale von rund 1,6 Mio. Franken für das Notfallzentrum Wattwil. Ambulante Behandlungen können an der Berit Klinik Wattwil uneingeschränkt erbracht werden. Die Notfallversorgung ist im Toggenburg – unabhängig von den laufenden Diskussionen betreffend die Berit Klinik Wattwil – sichergestellt.

10. Die Berit Klinik Wattwil verfügt lediglich über eine einzige Leistungsgruppe für stationäre Spitalbehandlungen und damit gegenüber den  Mehrspartenspitälern Wil, Linth und Herisau über ein sehr eingeschränktes Behandlungsspektrum. Dies war die Folge des Beschlusses, das Spital Wattwil zu schliessen und in ein GNZ umzuwandeln. Die Regierung beabsichtigt nicht, den Standort Wattwil wieder zu einem Mehrsparten-Spitalstandort  aufzuwerten.»

Regierung Kanton St. Gallen