«Das Thurbauwerk in Wattwil muss saniert werden, damit es auch für die Zukunft den Hochwasserschutz sicherstellen kann. Die bestehenden Uferverbauungen sind teilweise stark beschädigt und müssen erneuert werden. Dies ist soweit unbestritten. Es scheint jedoch, dass mit den geplanten Massnahmen der Hochwasserschutz nicht mehr im Vordergrund steht, sondern vielmehr der Erholungsraum Thur sowie die Revitalisierung.
10 Fussballfelder
Das gesamte Projekt der Thursanierung Wattwil verschlingt 60’000 Quadratmeter Land, also rund 10 Fussballfelder. Der Gewässerraum soll von 75 Metern bis zu 140 Metern reichen. Bereits gegen die erste Etappe der Thursanierung in Wattwil gibt es daher deutlichen Widerstand. Die zahlreichen Rückmeldungen aus der Bevölkerung im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens liessen den Bauherrn, den Kanton St. Gallen, jedoch unbeeindruckt. Keiner der Kritikpunkte wie Landverbrauch, Eingriffe in das private Eigentum oder Kosten wurde berücksichtigt. Aktuell läuft das Mitwirkungsverfahren zum Gesamtprojekt bis Ende Juni 2023.
Steigende Kosten
Bezüglich der Kosten war bislang die Rede von rund 50 Mio. Franken. Erst zum Start des Mitwirkungsverfahrens ist nun bekannt geworden, dass sich die Kosten auf 112 Mio. Franken belaufen sollen. Zusätzliche Kosten seien im Zusammenhang mit dem Neubau der Wege entlang der Thur und für die Aufwertung des Flussraumes entstanden. Allein die Verlegung von Werkleitungen soll rund 25 Mio. Franken kosten. Dabei sollen die Werkeigentümer einen grossen Teil der Verlegungsarbeiten selbst tragen. Es ist allerdings anzunehmen, dass diese (zusätzlichen) Arbeiten schon immer Teil des Projekts waren. Es stellt sich daher die Frage, wie die Kostenschätzung ohne erkennbare Projektänderung derart in die Höhe schiessen konnte. Zudem erstaunt, dass die letzte Kostenschätzung aus dem Jahre 2018 datiert. Inzwischen sind die Baupreise teuerungsbedingt allgemein stark angestiegen, sodass die Gesamtkosten nochmals deutlich ansteigen werden. Aufhorchen lässt, dass das Bundesamt für Umwelt (BAFU) dem Projekt in seiner Stellungnahme vom Juli 2021 eine ungenügende Wirtschaftlichkeit zubilligt, d.h. dass es die Kosten in einem ungenügenden Verhältnis zum Nutzen des Projekts beurteilt. Eine gute Wirtschaftlichkeit der Massnahmen stellt nach dem Bundesgesetz über den Wasserbau (WBG) jedoch eine Voraussetzung für Abgeltungen durch den Bund dar.
Unmut
Das Projekt schiesst insgesamt deutlich über das Ziel hinaus, und aus dem Projekt Thur-Sanierung wurde zunehmend ein Projekt Thur-Revitalisierung, während gleichzeitig hunderte von jahrzehntealten Alleebäumen gefällt werden sollen. Dadurch steigen nicht nur die Kosten, sondern auch der Widerstand in der Bevölkerung. Dies führt zu Unmut, Einsprachen, Kosten und Verzögerungen, auch für die unbestrittene und notwendige Sanierung der Thur. Es darf daher die Frage gestellt werden, ob nicht das Projekt selbst sanierungsbedürftig ist.
Wir bitten die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:
- Weshalb wurde die Bevölkerung erst im Mitwirkungsverfahren darüber aufgeklärt, dass sich die geschätzten Kosten für das Gesamtprojekt gegenüber der ursprünglichen Kommunikation vor einigen Jahren mehr als verdoppelt haben?
- Waren die Teilprojekte Neubau der Wege entlang der Thur, Aufwertung des Raumes um die Thur und Verlegung von Werkleitungen mit Kosten von insgesamt 56 Mio. Franken nicht schon immer Teil des Gesamtprojekts?
- Welche Massnahmen wurden zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Projekts geplant? Liegt eine Zusicherung der genügenden Wirtschaftlichkeit des BAFU vor?
- Mit welchen zusätzlichen Kosten ist - ohne weitere Projektanpassungen - unter Berücksichtigung der Preissteigerungen seit 2018 zu rechnen?
- Nach welchem Verteilschlüssel werden die Projektkosten zwischen Bund, Kanton, Gemeinde, Werkbetreibern und Grundeigentümern aufgeteilt?
- Kulturland ist ein kostbares und schützenswertes Gut; dies hat die Abstimmung zum Projekt WILWEST gezeigt. Welche Erkenntnisse und Lehren zieht die Regierung aus dem Projekt WILWEST für das Projekt Thursanierung Wattwil?
- Kann sich die Regierung vorstellen, das Projekt Thursanierung total zu überarbeiten und den Flächenbedarf innerhalb und ausserhalb des Siedlungsgebietes deutlich zu verringern?
- Wie gross schätzt die Regierung das Risiko ein, dass das Projekt in der vorliegenden Form vor dem Volk keine Mehrheit finden wird?