Im Eingangsbereich des ehemaligen Schalterraumes, dort wo einst die erste PTT-Telefonkabine der Gemeinde gestanden hat, steht nun ein Regal befüllt mit neuen, hochwertigen Arbeits-, Trecking, Wander -und Trachtenschuhen, die zum Kauf angeboten werden. Im ehemaligen Büroabteil stehen verschiedene Schleif- Press und Nähmaschinen, denen man ihre langjährige Einsatzzeit ansieht. Die älteste Maschine hat bereits gut 50 Jahre auf dem Buckel läuft aber nach wie vor einwandfrei. Sie sind frei von technisch anfälligem «Schnickschnack» und können so relativ einfach von Bernhard Schnyder revidiert und in Schuss gehalten werden.
Der Schuhdoktor aus Stein

Bleibt die Frage ob genügend Kundschaft vorhanden ist um als Schuhgeschäft in der aktuellen Grösse, dem Online-Handel und der Flut an Billigschuhen überleben zu können. Erfahrungswerte haben gezeigt, dass es einer Einwohnerzahl von rund 30`000 Einwohnern bedingt, um eine Schuhmacherei aufrecht erhalten zu können, erklärt Bernhard Schnyder. Da steht die Einwohnerzahl der Gemeinde Nesslau, der die Gemeinde Stein seit der Fusion im Jahr 2013 angehört mit seinen rund 3700 Bewohnern oder rund 10% der Erfahrungszahl quer in der Landschaft. Bringt der Durchgangsverkehr derart viel Kundschaft, um die vorhandene Lücke schliessen zu können? Sein Geschäft sei weit und breit bald das einzige seiner Art und er in der Schweiz wohl der jüngste Schuhmacher erklärt er. Eine eigentliche Lehre als Schuhmacher gibt es seit gut 20 Jahren nicht mehr in der Schweiz. Gerade habe in Wil wieder ein Schuhmacher altersbedingt sein Geschäft geschlossen, nachdem die Nachfolgesuche erfolglos geblieben war. Das ist mitunter auch ein Grund, dass viele Schuhgeschäfte aus der ganzen Schweiz, das zu reparierende und anzupassende Schuhwerk ihrer Kundschaft, zu ihm nach Stein schicken würden.

Vom Schreiner über den Landwirt zum Schuhservice Schnyder
Wo aber hat er das Handwerk der Schuhmacherei erlernt, wenn es doch diese Ausbildung seit 20 Jahren nicht mehr gibt in der Schweiz? Jetzt wird es richtig spannend; Bernhard Schnyder hat nach der Schule die Lehre als Schreiner bei der Schreinerei Scherrer + Bürkler in Stein und gleich anschliessend die Bauernlehre absolviert. Mit seiner Frau Tanja bewirtschaftete er danach den 16 Hektare grossen Betrieb, den sie von seinen Eltern übernommen hatten. Da der Betrieb für eine Existenz zu wenig Ertrag abwarf, arbeitete er noch Vollzeit bei der Turngeräte Firma Alder und Eisenhut in Ebnat-Kappel. Diese Doppelbelastung nahm er 15 Jahre lang auf sich, bis es ihm schliesslich zu anstrengend wurde und er Ausschau nach einer anderen Lösung hielt. Beim Durchblättern einer Zeitschrift, fiel seiner Frau Tanja eine etwa Briefmarken grosses Inserat auf, mit welchem ein Schuhmacher aus Grabs auf der Suche nach einem Nachfolger war. «Mit deinen handwerklichen Fähigkeiten wäre das doch etwas für dich» habe ihn Tanja ermuntert. Er sei zunächst recht skeptisch gewesen, habe dann aber Robert Schafferer, ein aus dem Südtirol stammenden Schuhmacher angerufen und eine Einladung zur Besichtigung erhalten. Nach diesem Treffen und etwas Bedenkzeit habe er die Herausforderung angenommen und mit den beiden anderen Tätigkeiten aufgehört. Robert Schafferer sei im ersten Jahr jeden Tag in der Werkstatt tätig gewesen habe ihm alle Arbeitsschritte und Details genau gezeigt. Der inzwischen gesundheitlich angeschlagene «Lehrmeister» sei im zweiten Jahr nur noch von der über der Werkstatt liegenden Wohnung heruntergekommen, wenn ihn Bernhard gerufen und um Rat gebeten habe. Im Jahr 2010 zügelten die Schnyders die Schuhmacherei mit allen Maschinen von Grabs an den aktuellen Standort nach Stein und konnten sich dort in den vergangenen elf Jahren einen guten Namen erarbeiten. Im Online-Shop (www.schuhservice-schnyder.ch) der von Tanja Schnyder betreut wird, kann vom Schnürsenkel über den passenden Schuh bis zum Steigeisen alles bezogen werden.

Das Angebot mit Orthopädie erweitert
Um eine rundum Betreuung anbieten zu können, ist jeweils donnerstags, der Orthopäde Laurin vor Ort, der bei den Schnyders angestellt ist. Er macht eine detaillierte Fussanalyse, nimmt diverse Abdrücke, fertig passgenaue Einlagen an, die den Fuss im Schuh punktgenau stützen und dadurch Fehlstellungen auskorrigieren. Durch diesen Krankenkassen anerkannten Service können sich Kunden aus dem Toggenburg den Weg in städtische Orthopädie Geschäfte sparen. Laurin der zuvor in verschiedenen grösseren Orthopädie Geschäften tätig war, hat sich zunehmend daran gestossen, dass für eine Kunden Abklärung jeweils nur eine Viertelstunde eingeplant war. Seiner Meinung nach war diese zeitliche Bemessung viel zu knapp angesetzt. Bei ihm und den Schnyders stehe die Kundenzufriedenheit an oberster Stelle, da wird nach telefonischer Voranmeldung, das entsprechend nötige Zeitfenster für eine gute Beratung reserviert.

Das sich die Bevölkerung schon immer, aber speziell in Zeiten wie diesen noch stärker auf ihre Wurzeln und ihr Brauchtum besinnt, bekommen die Schnyders stark zu spüren. Die Nachfrage nach neuen Trachtenschuhen und solchen die repariert werden müssen ist markant angestiegen. Viele Kunden aus dem Toggenburg und Appenzellerland, darunter viele Junge, sind vermehrt bei den Schnyders im Laden anzutreffen, um einen neuen Trachtenschuh zu erwerben oder reparieren zu lassen. Der eigentliche Trachtenschuh wird von den Schnyders eingekauft und je nach Kundenwunsch mit der entsprechenden Lederlasche und Silberschnalle versehen. Die Schnallen, die ein verziertes Schlangensymbol beinhalten, sind in verschiedenen Versionen, sowohl maschinell als auch von Hand gefertigt erhältlich. Da für eine handgefertigte Schnalle rund drei Arbeitstage benötigt werden, fällt der Preis gegenüber einer maschinell gefertigten entsprechend höher aus. In früheren Zeiten als die Strassen hauptsächlich noch aus Kies bestanden, war die raue Lederseite beim Schuh auf der Aussenseite, da man so Kratzspuren optisch viel weniger wahrnahm. Heute im Zeitalter der Teerstarassen ist es genau umgekehrt und die glatte Lederseite ist gegen aussen gekehrt, erklärt Bernhard den ästhetischen Wandel bei den Trachtenschuhen.

Wem guter Service, qualitativ gutes Schuhwerk und Nachhaltigkeit wichtig sind - «Gschider zum Schnyder»
