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Bildung
28.03.2023

Zürich: «Mohr»-Inschriften seien später entstanden

Bild: mai.
Gemäss Forschern der ETH sind zwei «Mohr»-Inschriften in Zürich erst im 20. Jahrhundert angebracht worden. Die Stadt Zürich will die Inschriften abdecken, weil sie rassistisch seien. Der Heimatschutz kämpft dagegen vor Gericht.

Die Häuser in der Zürcher Altstadt trügen ihre Namen zwar schon lange, wie Ashkira Darman, eine Autorin der Studie, am Dienstag vor den Medien erklärte. Doch gebe es über Jahrhunderte hinweg keine Belege für entsprechende Inschriften. «Auch in einem Inventar aus dem Jahr 1918 wurde keine Inschrift erwähnt», sagte sie. Zudem zeigten Fotografien aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine Schriftzüge.

Die Inschriften seien im 20. Jahrhundert in einem Prozess entstanden, der als "Erfindung der Altstadt" umschrieben werden könne. Sie fielen in eine Zeit, als die Altstadt aufgewertet wurde. Die Beschriftungen seien kein Teil einer ungebrochenen historischen Tradition, hielt Darman fest. Sie würden mehr über die Wünsche der Auftraggeber als über die Vergangenheit aussagen.

Kein Rassismus im öffentlichen Raum

Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) sah sich durch den Bericht bestätigt. Dieser zeige eindrücklich auf, wie die Gesellschaft über Jahrhunderte von rassistischen Stereotypen geprägt gewesen sei. Eine Abdeckung der Inschriften reiche zwar nicht, doch «wir können zeigen, dass wir Rassismus im öffentlichen Raum nicht tolerieren».

Dass die beiden Häuser im Zürcher Niederdorf die Namen schon lange tragen, ist unbestritten. «Zum Mohrenkopf» erklärt sich etwa durch die ehemalige Besitzerfamilie, die den "Mohr" in einigen Varianten des Wappens trug, wie Darman erklärte.

Im Spätmittelalter sei es der Obrigkeit wegen der Abgaben wichtig gewesen, dass Häuser klar bezeichnet waren. Hausnummern gab es damals noch nicht.

Schon bei Zwingli negativ besetzt

Der Begriff «Mohr», von den Autoren der Studie und der Stadtpräsidentin konsequent M-Wort genannt, sei immer abwertend gewesen, wie Mitautor Bernhard Schär erklärte. Schon in der Zürcher Zwingli-Bibel kam der «Mohr» negativ vor.

In der Alltagssprache setzten sich später Zitate aus der Literatur durch, etwa «Der Mohr hat seine Arbeit getan. Der Mohr kann gehen», von Friedrich Schiller. So hätten Gewerkschafter mit diesem Zitat Arbeitgeber kritisiert, weil sie ältere Arbeitnehmer entliessen, wie Schär sagte. Niemand habe wie ein «Mohr» behandelt werden wollen, erklärte er den Zusammenhang.

Die ETH-Studie hatte die Stadt Zürich in Auftrag gegeben. Zürich streitet mit dem Heimatschutz über die Inschriften. Das Baurekursgericht hatte die Abdeckung kürzlich abgelehnt. Die Stadt will den Fall an das Verwaltungsgericht weiterziehen. Zum laufenden Verfahren wollte sich die Stadtpräsidentin am Dienstag nicht äussern.

sda/ Toggenburg24