Die Schätzungspraxis hat sich im Kanton St.Gallen gut bewährt. Die Schätzungswerte stehen nicht nur der Gebäudeversicherung, den Gemeinden und dem Kanton, sondern nach Rechtskraft auch Dritten zur Verfügung.
Da die Schätzungswerte nebst der Verwendung für die steuerlichen und versicherungstechnischen Belange immer mehr als Grundlage für die Erhebung von
Taxen und Gebühren durch Dritte dienen, muss die Frage nach dem sachlichen Zusammenhang kritisch hinterfragt werden.
Ein klassisches Beispiel ist die Verwendung der Gebäudewerte für Anschlusstaxen von Wasser und Abwasser. Dies ist besonders in jenen Fällen stossend, in denen neu erstellte Bauten und Anlagen weder auf Brauchwasser, noch auf das Ableiten von Abwasser angewiesen sind. Besonders stossend ist die Gebührenpraxis der Werkbetreiber beim Bau von Energieproduktionsanlagen.
Dasselbe gilt bei der Erweiterung von Gebäuden, insbesondere im Gewerbe- und Industriebereich, die weder neue Anschlüsse erfordern, noch einen wesentlichen Einfluss auf den Verbrauch haben. Aus sachlicher Sicht kann nicht begründet werden, wieso in diesen Fällen überhaupt bzw. höhere Anschlusstaxen und jährliche Grundgebühren erhoben werden. Zudem läuft eine solche Praxis dem Bestreben, die Produktion von erneuerbarer Energie – insbesondere PV – auf Gebäuden zu fördern, zuwider.
Die Politik ist aufgefordert, den Einsatz der Gebäudewerte für Dritte im Allgemeinen und im Speziellen die sachfremde Nutzung der Werte im Kanton kritisch zu hinterfragen und auf gesetzlicher Ebene die richtigen Vorgaben zu treffen.
Wir bitten die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:
1. Wie ist die Nutzung der Gebäudeschätzungswerte durch Dritte ausgestaltet?
2. Ist der Regierung die Praxis in den Gemeinden, Korporationen und Werken die Verwendung der Gebäudeschätzungswerte als Grundlage zur Erhebung von Gebühren bekannt?
3. Kennt die Regierung die Praxis in den umliegenden Kantonen und wie ist dort die Regelung?
4. Teilt die Regierung die Meinung der Interpellanten, dass die Verwendung der Gebäudeschätzungswerte im Kanton St.Gallen in den obigen Beispielen nicht sachgerecht ist?
5. Sieht die Regierung die Möglichkeit, die Werkbetreiber zu verpflichten, bei Energieproduktionsanlagen auf Anschlusstaxen und Gebühren zu verzichten?
6. In welcher Form kann der Kanton die Gemeinden sowie die öffentlich- und privatrechtlichen Organisationen im Versorgungs- und Entsorgungsbereich zur Streichung von unnötigen oder fraglichen Gebühren verpflichten?»
Politik
16.02.2023
Interpellation Thoma-Kirchberg / Gmür-Bütschwil-Ganterschwil / Müller-Lichtensteig: «Werden die Gebäudeschätzungswerte für die Gebührenerhebung missbraucht?

Stella Maris: Das Weiterbildungsgebäude der PHSG.
Bild:
Screenshot PHSG
Der Fachdienst für Grundstückschätzung der Gebäudeversicherung ist im Auftrag des Kantons für das Grundstückschätzungswesen zuständig. Bei der Grundstückschätzung werden die Gebäudeversicherungswerte mit Neuwert, Zeitwert und Verkehrswert erhoben und zusätzlich auch als Steuerwert die Miet- und Verkehrswerte des Grundstücks sowie bei landwirtschaftlichen
Grundstücken zusätzlich der Ertragswert.