Die Schaffhauserin Elena Sandera hat sich grosse Ziele gesetzt. Mit Foilsurfen soll es in zwei Jahren an die olympischen Spiele gehen. Diese Disziplin feiert 2024 Olympiapremiere. Und auch für Elena Sandera ist die Sportart neu. Erst vor zwei Jahren kam die Sportlerin mit dieser Variation des Windsurfens das erste Mal in Berührung. Für die Qualifikation bleibt ihr allerdings nicht mehr viel Zeit: die ehrgeizige 20-Jährige hat viel nachzuholen.
Gesehen und für olympisch befunden
Elena Sandera war sechs Jahre alt, als sie zum ersten Mal mit dem Windsurfen in Berührung kam. «Wir fuhren jeden Sommer an den Gardasee in die Ferien. Windsurfen war einfach ein Sommerhobby, welches ich nur eine Woche im Jahr am Ferienort betrieb», erinnert sie sich zurück. Wie die Jahre zuvor, fanden auch die Sommerferien 2020 am gewohnten Ort statt. Es war der Sommer, in welchem sich für Elena Sandera, die mittlerweile die Matura abgelegt und sich einen Platz für ein Medizinstudium gesichert hatte, die Zukunftspläne verändern sollten. Sie entdeckte das Foilsurfen und beschloss, dass sie diese Sportart professionell betreiben will. «Ich habe diese Windfoiler gesehen und war hin und weg. Die Geschwindigkeit, mit welcher die Sporttreibenden über dem Wasser schwebten, hat mich sofort fasziniert». Die Sportbegeisterte probierte das Foilen gleich selbst aus. «Obschon meine erste Runde katastrophal war, kam ich aus dem Wasser und sagte meinem Vater, dass ich mit dieser Sportart nach Olympia möchte».
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm
Ein Foil ist eine Tragflügelkonstruktion und besteht aus einem Mast, einem Rumpf, einem Vorder- und einem Hinterflügel. Das Anbringen des Foils unter dem Surfbrett ermöglicht ein praktisch geräuschloses Schweben über dem Wasser, auch bei minimalen Windverhältnissen. «Als ich das Foiling vor zwei Jahren ausprobiert habe, war mir sofort klar, dass ich diese Sportart professionell ausüben möchte. Und wenn ich mir etwas in den Kopf setze, lege ich mich ins Zeug, bis ich es erreiche. Ich war schon als Kind sehr zielstrebig», erinnert sich Elena Sandera zurück und ergänzt «ich war schon zu Schulzeiten eine Streberin und wollte immer die Beste sein. Da komme ich nach meinem Vater, der wahnsinnig zielstrebig ist.» Peter Sandera ist Chefarzt der Chirurgie bei den Spitälern Schaffhausen: Auch seine Tochter will, seit sie fünf Jahre alt ist, Ärztin werden. Ihr Medizinstudium begann genau in diesem alles verändernden Sommer 2020. «Aufgrund der damaligen Corona-Situation fanden die Vorlesungen online statt. Es war also irrelevant, von wo aus ich studierte. Darum verlängerte ich meinen Aufenthalt am Gardasee und hatte so die Möglichkeit, mich nebst dem Studium auch meiner sportlichen Karriere zu widmen». Gegen Ende des ersten Semesters kaufte sich die ambitionierte Schaffhauserin die benötigte olympische Ausrüstung für ihren Traumsport und machte sich allein auf den Weg nach Teneriffa, wo sie weder jemanden kannte noch eine grosse Vorstellung hatte, was sie dort erwarten würde. «Im Winter trainieren die olympischen Windsurferinnen und Windsurfer in Teneriffa und ich wollte von den Besten lernen». Die junge Sportlerin erzählt, dass sie mit Abstand die unerfahrenste Sportlerin vor Ort war. «Es gab bestimmt Situationen, in denen sich die erfahrenen Sporttreibenden fragten, was ich da eigentlich will. Entsprechend traute ich mich nicht von Anfang an zu sagen, dass ich nach Olympia will», erinnert sich Elena Sandera zurück und lacht dabei.
Wissen weitergeben
Lange blieb die sympathische Sportlerin auf der Insel aber nicht allein. Sie lernte viele neue Leute kennen, unter anderem freundete sie sich mit zwei Windsurferinnen an. «Es passte bei uns dreien von Anfang an: aus sportlicher wie auch aus menschlicher Sicht». Die drei jungen Frauen haben inzwischen das Start-up «World Of Windsurfgirls» gegründet. «Die Szene ist noch sehr jung, im Nationalverband nur wenige Wettkämpfende. Entsprechend ist die Unterstützung für uns Athletinnen noch nicht optimal. Mit unserem Start-up möchten wir unseren Beitrag an die Gemeinschaft leisten und Unterstützung für diverse Themenbereiche unserer Sportart anbieten», schwärmt Elena Sandera. Die Anhängerschaft folgt dem jungen Unternehmen vor allem auf den sozialen Medien. Mit Podcasts und Beiträgen füttern die drei Gründerinnen Interessierte regelmässig mit Informationen. Dabei sprechen sie auch offen über die Höhen und Tiefen, die mit dem Leistungssport einhergehen. «Ich kämpfe oft mit Selbstzweifeln. Auch der finanzielle Aspekt darf nicht vergessen werden. Als Leistungssportlerin bin ich immer auf Sponsoren angewiesen. Mir kommt zugute, dass ich bescheiden leben kann und mich Nebenjobs noch nie abgeschreckt haben». Tatsächlich lebt Elena Sandera auf einer kleinen Fläche: in einem Camper. «In meinem Van habe ich alles, was ich brauche. Eine Schlafgelegenheit, eine Mini-Küche, aber vor allem habe ich genügend Platz für meine Ausrüstung».
Hinfallen, aufstehen, weitermachen
Trotz der wiederkehrenden Selbstzweifel und der oft unsicheren finanziellen Situation lässt sich Elena Sandera von ihrem grossen Traum nicht abbringen. «Kürzlich war ich im französischen Brest an der Weltmeisterschaft. Mit meinem Resultat bin ich unzufrieden. Ich muss jetzt fokussiert an meiner Taktik arbeiten und die Trainingseinheiten intensivieren. Bis zur Olympia-Qualifikation geht es nicht mehr lange und mir fehlt die Erfahrung. Die Routine kann ich mir in der kurzen Zeit nur bedingt aneignen. Also konzentriere ich mich auf das, was ich beeinflussen kann: auf das Training und die Ausrüstung». Elena Sandera zeigt sich für die grosse Unterstützung dankbar. «Meine Familie hat mich von Anfang an unterstützt, insbesondere in mentaler Hinsicht. Auch meine Universität zeigte sich hilfsbereit. Als ich merkte, dass sich Studium und Leistungssport schlecht vereinbaren lassen, wurde mir bewilligt, das begonnene Studium für eine gewisse Zeit auf Eis zu legen. Eines ist jedoch klar: ich werde Chirurgin. Nach Olympia.»