Bromid ist im Anbau nicht zugelassen, schon gar nicht in biologischen Bohnen. Es kommt natürlicherweise in den Meeren vor. Da der Thurgauer Boden, auf dem die Bohnen angebaut wurden, auch in früheren Jahren kein Meeresboden war, musste das Bromid von einer anderen Quelle stammen. Haben nun die zwei Thurgauer Bio-Landwirte irgendetwas Illegales gespritzt?
Auf sämtlichen Stufen musste die Herkunft eruiert und der Produktefluss abgecheckt werden. Es sind diverse Stellen in diesen Prozess involviert und sie mussten dementsprechend Stellung nehmen: Die Landwirte, die Anbauorganisation (hier die Hilcona Agrar), die Verdunova AG als Verarbeiterin, unsere Kunden, die Kontrollstelle und die Zertifizierungsstelle (Bioinspecta, Biosuisse) und letztendlich der kantonale Lebensmittelinspektor des Kt. St. Gallen. Es konnte nirgends eine Unregelmässigkeit festgestellt werden, darum haben die Migros, Biosuisse und Bioinspecta die Sperrung für den Verkauf aufgehoben. Als letzter klemmte nur noch der kantonale Lebensmittelinspektor, der allerdings für seine unkooperative Haltung in anderen Fällen schon bekannt war.
Erst nachdem ich die Brisanz des Themas (Out of Stock im Detailhandel, allenfalls Konventionalstrafen, Produkteschaden, Entsorgungskosten, Food Waste etc) an dessen Sekretärin telefonisch mitgeteilt habe und um dringende Abhandlung dieses «gravierenden Bromidproblems», respektive um tel. Rückruf, gebeten habe, ist drei Stunden später der Verkauf seitens der Behörde des Kantons St. Gallen stillschweigend per Mail freigegeben worden.
Es interessierte mich trotzdem, wie es zum überhöhten Bromidgehalt in den Biobohnen gekommen ist:
- Die beiden Biobauern im Thurgau düngten ihre Bohnenfelder mit Hühnerfedern oder -Mist (Mineraldünger ist ja verboten).
- Die Hühner, die diesen Hühnermist und die Federn geliefert haben, wurden mit biologischem Hühnerfutter ernährt.
- Das Hühnerfutter enthält zur besseren Eischalenbildung Muschelkalk von Austern aus dem Meer.
- Die Muscheln im Meer nehmen Bromid auf, weil es im Meer natürlich erhöhte Bromidgehalte hat.
Zusammenfassung der Geschichte: Die leidigen Austern haben ein Team von ca 20 hochkarätigen Fachleuten für je ca vier Arbeitstage beschäftigt um ein Problem zu lösen, das es gar nicht gibt.
In Anlehnung an Paracelsus kommt man zu folgendem Schluss: «Die Moral der Geschicht, betrachte nicht jeden Stoff als Gift».
Nachträglich habe ich noch eine Rechnung von der Kontrollstelle Bioinspecta erhalten, über Fr. 3500.—für Aufwendungen in dieser Sache. Ich habe dann zurückgeschrieben, ich wüsste nicht genau, wie ich mit dieser Rechnung umgehen sollte. Eigentlich müsste ich die Rechung unserer Lieferantin von Biobohnen, der Hilcona Agrar AG zustellen. Da diese aber ja nichts Falsches gemacht hat, müsste sie die Rechnung an die zwei Landwirte im Thurgau stellen. Aber auch die waren ja nicht schuld, also müssen sie die Rechnung dem Hühnerbauern senden. Aber auch der hat nichts Schlechtes getan und würde darum die Rechnung an den Lieferanten des Hühnerfutters, an den Müller senden. Weil ja der Müller nur natürlichen Muschelkalk aus dem Meer eingesetzt hat, müsste er den Fischern in der Bretagne die Rechnung senden. Wobei ich nicht glaube, dass die Franzosen die Rechnung bezahlen würden.
Also haben wir uns mit der Bioinspecta auf Fifty-Fifty geeinigt.
Ich denke, wir haben wichtigers zu tun als solchen Stürme im Wasserglas zu verursachen. Momentan steht die gesamte Versorgung mit Nahrungsmittel auf dem Spiel!